17.6.07

Eurofighter-Zwischenbilanz ohne "rauchende Pistole"

Was ist wohl das wichtigste Ereignis, das in dieser Woche für die Luftfahrtindustrie ansteht? Jeder, der mit dem Geschäft zu tun hat, weiß, dass sich alles, was Rang und Namen hat, vom 18. bis 24. Juni beim "Salon International de l'Aéronautique et de l'Espace" in Le Bourget bei Paris trifft.

Nur im österreichischen Nationalrat weiß man es nicht - oder will es vielmehr nicht wissen: Entgegen den Beteuerungen, dass beim Untersuchungsausschuss alles auf lange Sicht so geplant wurde, dass sich zum Schluss ein eindeutiges Bild des Beschaffungsvorgangs vermitteln lässt, wurden die letzten Einvernahmen von Auskunftspersonen ausgerechnet in die Woche der Pariser Air-Show gelegt. Und Ausschussvorsitzender Peter Pilz klagt schon vorab, dass "eine Luftfahrtmesse" als "Vorwand" dienen könnte, dass die Manager von EADS und Eurofighter, die er so gerne als Beschuldigte im Ausschuss vorführen würde, nicht anreisen.

Bei allem Respekt vor dem österreichischen Parlament: Die Einschätzung, dass dessen parteilich agierender Untersuchungsausschuss den Managern von Weltkonzernen wichtiger wäre als der bedeutendste Branchentreff, zeugt von ebenso wenig Professionalität wie das Absenden von Einladungen (dem Vernehmen nach teilweise mit falscher Adresse) am Tag vor einem Feiertag, gerade mal eine Woche vor dem Sitzungstermin. Schon in der Vorwoche gab es dann medienwirksames Jammern über einen "Boykott" des Ausschusses durch Leute, die die Einladung zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal in Händen haben konnten.

Aber für die Stimmungsmache reicht das allemal. Als ob es dieser Stimmungsmache überhaupt bedürfte: In der Bevölkerung ist das Bild ohnehin verfestigt, dass ganz, ganz böse Waffenkonzerne und deren Lobbyisten einer die Interessen der Nation ignorierenden Regierung ein überteuertes Kampfflugzeug angedreht hätten, das Österreich in Wirklichkeit gar nicht braucht, weil es eh so lieb und brav ist.

Tatsächlich sind hier massive Interessen im Spiel, die mit denen Österreichs nur am Rande zu tun haben: Selbstverständlich ist den Mitbewerbern des Typhoon auf dem insgesamt ja nicht allzu großen internationalen Flugzeugmarkt jeder Patzer willkommen, der auf der Weste der Eurofighter GmbH aufscheint.

Und sei er noch so klein: "Der Ausschuss hat bisher kaum Anrüchigeres zutage gefördert, als dass ein (österreichischer) Lobbyist des Flugzeugbauers der Frau eines vom Dienst suspendierten (österreichischen) Generals, der in einer 33 Mitglieder zählenden Kommission an der Eurofigher-Vorentscheidung beteiligt war, mit einer Art Überbrückungsgeld aus einer finanziellen Notlage geholfen hatte", spottet die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Auch Ausschussvorsitzender Peter Pilz muss inzwischen zugeben, dass er keine "rauchende Pistole" gefunden hat - da sei die Erwartung der Medien zu hoch gewesen. Dass er selbst diese Erwartung geschürt hatte, hat er gut verdrängt. Der Beschaffungsfall ist - so weit man bisher weiß - nicht kriminell gelaufen.

Wohl aber hat er eine Reihe von Absurditäten an den Tag gebracht - dass nun die Parteienfinanzierung wieder ernsthaft diskutiert wird, ist beispielsweise ein durchaus positiver Spin-off-Effekt.

Aber im Kern steht der Beweis aus, dass der Eurofighter an sich ungeeignet wäre oder zu Unrecht ausgewählt worden ist. Aus diesem Titel wird man wohl nicht aus dem Vertrag herauskommen.

Wie sonst? Verteidigungsminister Norbert Darabos, der noch bei Amtsantritt den Ausschuss als größten Verbündeten betrachtet hatte, versucht in Verhandlungen ein bisschen weniger Flugzeug für sehr viel weniger Geld zu bekommen.

Grünen-Chef Alexander Van der Bellen hat dazu etwas Richtiges gesagt, auch wenn er es vermutlich anders gemeint hat: Es gehe auch darum, dass die "Reputation der Republik Österreich als Beschaffer auf dem Spiel steht". Und die ist durch die Vorgangsweise der letzten Wochen nicht gerade gewachsen. (Conrad Seidl/DER STANDARD, Printausgabe, 18. Juni 2007)

Interessen, die in der Diskussion über den "Pflegenotstand" geflissentlich verschwiegen werden

Pflegefälle schaffen in erster Linie zutiefst menschliche Probleme: Wie geht jemand, der jahrzehntelang zugepackt und nach Kräften beigetragen hat, die Familie zu ernähren, damit um, nun selbst dieser Familie zur Last zu fallen? Wie gehen die anderen Familienmitglieder damit um, dass der bisher geliebte Vater, die bisher geliebte Mutter nun plötzlich unerwartete Schwierigkeiten macht - und in der eigenen Verbitterung und dem eigenen geistigen und emotionalen Verfall nun beginnt, Verdächtigungen und Verwünschungen gegen diejenigen auszustoßen, die nun dafür sorgen müssen, dass der alt gewordene Angehörige ein Leben in Würde führen kann.

Hier spielen sich Dinge ab, über die niemand gerne spricht. Allenfalls ist es statthaft, sich die psychische Belastung von der Seele zu reden, die aus der schwieriger werdenen Beziehung zum gebrechlichen Familienmitglied entsteht. Aber über die finanzielle Last zu sprechen, gilt als verpönt. Darüber zu klagen, dass all das, was mehrere Generationen an Vermögen aufgebaut haben, womöglich veräußert und aufgebraucht werden muss, damit der betreuungs- und pflegebedürftige Familienangehörige die ihm zustehende Hilfe bekommen kann, würde als zutiefst verwerflich empfunden. Da bleibt den Angehörigen nur der grausame Gedanke, dass es wohl besser wäre, wenn der gar nicht mehr so liebe Pflegefall möglichst bald unter die Erde käme.

Man verbietet sich solche Gedanken - und wird sie dennoch nicht los. Wenn nun Pflegezuschüsse davon abhängig gemacht werden, dass der Pflegefall sein Vermögen aufbraucht, bis er selbst ein Sozialfall ist, vergrößert das die psychische Not der ganzen Familie. Ihr abhelfen kann nur eine breit angelegte Pflegeversicherung, die die Risiken gerechter verteilt und wenigstens die materiellen Sorgen abfedert.

(DER STANDARD, Printausgabe, 15.6.2007)

11.6.07

Wer hat Interesse an Rüstungsskandalen?

In Österreich sind wir es schon gewohnt, dass jede Rüstungsbeschaffung mit Argwohn betrachtet und mit Vorverurteilung sämtlicher möglicherweise Beteiligten durchleuchtet wird. Es muss nicht immer Eurofighter sein: Hier hat es sogar schon für einen mittleren Rüstungsskandal gereicht, als ein „Fliederbusch“ erwähnt wurde, den eine Ministergattin von einem Waffenlobbyisten bekommen hatte – wobei jeder darin den Code für ein Bündel 1000-Schilling-Noten gesehen hat.

Natürlich war das nie zu beweisen. Denn die Beweislage ist bei derartigen Geschäften stets schlecht – während die Zahl derer, die Hinweise auf „mögliche Verdachtsmomente“ in Umlauf bringen, mit der Größe des Auftrags zunimmt. Da gibt es Lobbyisten und PR-Leute – manche, aber nicht alle, mit durchaus üppigen Gagen und Aufwandsentschädigungen, wie sie im Eurofighter-Ausschuss für Erstaunen gesorgt haben. Dazu kommen noch Militärs, Politiker und nicht zuletzt Geheimdienstler. Sie erkunden den Markt, versuchen Stimmung zu machen und helfen vor und nach Abschluss des Deals.

Wobei die liebe Konkurrenz und deren ganz ähnlich aufgestellte Truppe natürlich auch nach dem eigentlichen Beschaffungsvorgang dranbleibt: Wenn man schon selbst nicht zum Zug gekommen ist, kann man ja wenigstens darauf hinweisen, dass der nunmehrige Lieferant unsauber gearbeitet haben könnte: Die Schweden waren mit solchen Vorwürfen in Südafrika konfrontiert, jetzt sind sie es in Tschechien und Ungarn. Eurofighter erlebt es jetzt in Österreich – alles jeweils als Negativ-PR für künftige Exportgeschäfte. Und auf Kosten der Glaubwürdigkeit der Landesverteidigung im jeweiligen Käuferland. Ihr Ansehen leidet selbst dann, wenn der behauptete Skandal keiner war – auch daran dürften einige der Beteiligten Interesse haben. (DER STANDARD, Printausgabe, 9.6.2007)

8.6.07

Was wird aus der FPÖ?

Das Spannendste, was die Freiheitliche Partei in den letzten Monaten für die breite Öffentlichkeit zu bieten hatte, war die Auseinandersetzung um ein paar Jugendbilder ihres Obmanns bei Ballerspielen in einer martialischen Freizeitkluft - samt parteiinternem Streit darum, wer diese Bilder wohl in Umlauf gebracht habe. Und ob es da vielleicht einen Zusammenhang mit dem schon wesentlich weniger medienwirksamen Streit um die Führung (und Finanzsituation) der Parteiakademie gegeben habe. In diesem Zusammenhang ist dann schließlich der Ex-Klubobmann, Ex-Landesrat, Ex-Volksanwalt und Immer-noch-Abgeordnete Ewald Stadler aus der FPÖ ausgetreten, offenbar, um einem Ausschluss zuvorzukommen.
Geht er jemandem ab? Die Frage hat im Vorfeld des Innsbrucker Parteitages noch ein paar freiheitliche Insider interessiert - immerhin hätte es ja eine kleine Rebellion der Fans des christlich-national orientierten Burschenschafters geben können.

Aber da kam einfach nichts. Heinz-Christian Strache hat sich in Innsbruck überzeugend durchgesetzt. Die FPÖ ist jetzt seine Partei - und die seiner Stellvertreter, an deren Loyalität er nicht zu zweifeln braucht.

Kann, soll, darf man die FPÖ deshalb als Thema abschreiben? Oder verlangen ihre Inhalte nicht doch nach näherem Hinsehen und Hinhorchen? Auf den ersten Blick nicht. Wenn sich die Freiheitlichen als "soziale Heimatpartei" stilisieren, dann ist das letztlich nur eine der zahlreichen Varianten ihres einen Themas: Inländer sind gut und verdienen Sozialleistungen, Ausländer passen da nicht dazu, sie verdienen auch keine Sozialleistungen. Man ist diese Masche schon so gewohnt, dass man kaum mehr hinhört, wenn Strache die Ausländer mit Motten, also Schadinsekten, vergleicht, die quasi vom Licht des Sozialstaats angezogen würden. Ein Pflichtprotest der Grünen, das war\s.

Hier ist nichts Neues, nichts in besonderer Weise für neue Wählergruppen Attraktives zu sehen. Selbstverständlich wird es auch weiterhin Wähler geben, die sich allein durch das Ausländerthema ansprechen lassen - aber dass die FPÖ als Single-Issue-Partei die von Strache explizit angepeilte 20-Prozent-Hürde nehmen kann, ist wenig wahrscheinlich. Noch dazu, wo sich Wirtschaft und Arbeitsmarkt in den letzten Monaten besser als prognostiziert entwickelt haben - was die bisher verbreiteten Ängste, von billigen Ausländern verdrängt zu werden, bei etlichen Wählern zumindest relativieren sollte.

Um die FPÖ wieder an die Erfolge heranzuführen, die sie unter Jörg Haider hatte, wird Strache mehr aufbieten müssen. Ein paar Versuchsballons hat er in seiner Parteitagsrede schon steigen lassen. Dass die FPÖ die Südtirol-Frage auf die Agenda zu setzen sucht, dürfte ein Minderheitenprogramm sein - denn diese Frage bewegt heute längst nicht mehr so wie noch in den Sechzigerjahren. Aber für konservativ und national fühlende Österreicher ist das ein auch über Tirol hinauswirkendes Signal: Seht her, der Strache spricht Themen an, die andere zu verschweigen suchen.

Wer noch weiter rechts steht - aus Straches Sicht sind ohnehin alle seine politischen Mitbewerber Linke -, wurde in Innsbruck mit den früher auch von Stadler immer wieder bemühten wehleidigen Hinweisen auf "einseitige Meinungsdiktate" und "Grenzen der Meinungsfreiheit" bedient - man muss nicht mehr sagen, das reicht schon, um Ewiggestrige zu gewinnen.

Von denen gibt es aber auch nicht genug, die FPÖ muss weitere, für jüngere Zielgruppen passende Feindbilder aufpolieren. Die angeblich drohende "EU-Diktatur" lässt sich zwar als Gespenst aufblasen, ob das im nächsten Wahlgang - turnusmäßig wäre das bei der niederösterreichischen Landtagswahl im kommenden März - aber wirklich zieht, darf bezweifelt werden. Da ist schon eher das "Abkassierertum von Rot-Schwarz" geeignet - vorausgesetzt, dass künftig Gebühren stärker steigen als die Wirtschaftsleistung. Wer die FPÖ ausbremsen will, wird ihre Parolen bei diesen Themen ad absurdum führen müssen. (DER STANDARD, Printausgabe, 4. Juni 2007)