31.12.04

Gebote für das neue Jahr

Die meisten Menschen machen gute Vorsätze zum Jahreswechsel.
In der Zeitung Die Welt hat Jörg Eigendorf dagegen "Gebote" aufgestellt - quasi als Vorsätze für die deutsche Gesellschaft. Da ließe sich auch viel für Österreich übernehmen, ich habe ein paar Gedanken aufgegriffen und liste sie hier auf:
1.) Produkte und Dienstleistungen müssen her, mit denen wir hohe Margen erzielen können - Schafft Werte für Euer Geld!
2.) Wir sollten uns von dem Irrglauben verabschieden, dass die Produktion von Schuhen, Autoreifen, Maschinen oder auch Computern die Grundvoraussetzung für Wachstum ist: Es geht nicht um die Erhaltung von Arbeitsplätzen, sondern um den Aufbau ganzer neuer Wirtschaftszweige.
3.) Forschung und Entwicklung findet ohnehin statt, ob wir einzelne Aspekte davon nun mögen oder nicht. Wenn sie nicht bei uns stattfinden, dann anderswo. Also: Liebt den Fortschritt!
4.) Lasst Euch bedienen - alles selber zu machen, anstatt für Dienstleistungen zu zahlen, ist Gift für die Beschäftigung und das Wirtschaftswachstum!
5.) Ein Land, in dem wehleidig über Sozialreformen und die schrumpfende Bevölkerung gejammert wird, verliert die Perspektive: Wenn es genügend Konsumenten gibt, braucht der Gürtel auch nicht so viel enger geschnallt zu werden. Das heißt einerseits: Wir müssen uns stärker zu aktiver Bevölkerungspolitik und Familienförderung bekennen. Und andererseits müssen wir uns auf mehr Zuwanderung einstellen.
6.) Die Zuwanderung könnte man aber steuern: Wenn wir schon Zuwanderer brauchen, sollten wir uns rechtzeitig aussuchen, welche wir haben wollen: Solche, die schon wohlhabend sind; solche, die schon gut (aus)gebildet sind; solche, die besonders leistungswillig sind. Diese Zuwanderer müssen uns dann aber auch wirklich willkommen sein - und sie sollen genau dieses Gefühl des Willkommenseins auch spüren; sonst kommen eben nicht die besten und erwünschtesten Einwanderer.
7.) Hören wir auf mit dem Raunzen! Dann stimmt auch das Konsumklima wieder und die Wirtschaft brummt - wie mein Kollege Eric Frey kürzlich im Standard geschrieben hat.
8.) Achtet die Elite: So bedauerlich es ist, dass uns die Pisa-Studie das Zurückfallen der schwächsten Schüler vorgeführt hat - man darf nicht übersehen, dass die Besten weit über dem Schnitt der besten Schüler liegen. Und dass sie noch besser werden müssen.
9.) Gehen wir Risiken ein, und übernehmen wir Verantwortung für Veränderungen: Ein Manager wird nicht dafür bezahlt, genau das zu tun, was alle anderen machen. Denn dann wird ihr Unternehmen nie besser sein als die anderen. Nur mit dem Mut zum Unterschied kann man etwas verändern - selbst wenn die anderen einen belächeln. Und: Wer anders ist und dabei scheitert, hat es zumindest versucht, besser zu machen - wer im Gleichschritt mit den anderen versagt, hat schon von vorneherein sein Geld nicht verdient.
10.) Bei aller Wertschätzung für erfolgreiches Unternehmertum: Es muss auch für die Mitarbeiter, gerade für die auf unteren Ebenen ein anständiges, auskömmliches Gehalt geben - nicht nur, weil sonst ihre Motivation sinkt, sondern auch, weil sonst zu wenig Geld in den Konsum und ins Wirtschaftswachstum fließt.
Mit dem im geistigen Marschgepäck sollte das neue Jahr ein gutes werden!

28.12.04

Magister des Generalstabs

120 der höchsten Offiziere des österreichischen Bundesheeres wurden im Herbst zu Magistern der Philosophie ernannt. Das erleichtert ihnen den Wechsel innerhalb der Bundesverwaltung - denn die Generalstabsausbildung hat diese Offiziere bisher nur innerhalb des Verteidigungsressorts zu A-Beamten gemacht.
Wenn ein Militärakademiker nach dreijähriger Offiziersausbildung an der Theresianischen Militärakademie als Leutnant ausgemustert wird, dann darf er sich seit dem Jahr 2000 neben dem militärischen Rang auch den Titel "Mag. (FH)" vor den Namen setzen. So ist es öfter vorgekommen, dass Truppenoffiziere mit akademischem Grad Generalstabsoffizieren ohne einen solchen gegenübergestanden sind.
Denn die höhere Offiziersausbildung, die besonders geeignete Offiziere im Rang eines Majors absolvieren, brachte ihnen zwar ein schöneres Rangabzeichen mit Generalstabsborte, eine Einstufung als A-Beamter innerhalb des Verteidigungsministeriums und das Kürzel "dG" (für "des Generalstabs"), das zum Rang eines Majors, Oberstleutnants oder Oberst hinzugefügt werden kann. Aber leider, leider keine akademischen Würden.
Jetzt wurde gleich pauschal nachgeholt, was an akademischen Titeln noch abgegangen ist - Generalstäbler haben nun auch einen Magistertitel.
Das ist gut für die persönliche Eitelkeit der hohen Herren und wichtig für die Gleichrangigkeit in der Stabsarbeit bei internationalen Einsätzen, wo Spitzenoffiziere anderer Nationen eben auch einen vollwertigen universitären Abschluss vorweisen können. Nur dem Anspruch, dass ein Magister wissenschaftlich zu arbeiten gelernt haben sollte, entspricht es nicht.
Auch General
Roland Ertl hat, spät aber doch, akademische Würdigung erfahren. Die späten Ehren für die Generalstäbler - deren bisherige Auszeichnung darin bestand, dass sie ihrem Offiziersrang das Kürzel "dG" für "des Generalstabs" setzen durften - haben in der Heeresverwaltung für Kopfschütteln gesorgt: Zivil ausgebildete Akademiker, die wie jeder andere Student im Zivilleben ein reguläres Studium abgeschlossen haben und dann in den öffentlichen Dienst eingetreten sind, fühlen sich durch die "nachgeschmissenen" akademischen Grade für die Generalstäbler (deren Generalstabsausbildung in gut bezahlter Dienstzeit erfolgt ist) verhöhnt.
Walter Tancsits, ehemaliger Berufsoffizier und heute ÖVP-Abgeordneter, spottet im STANDARD-Gespräch: "Ich habe meine Diplomarbeit seinerzeit zur Sicherheitspolitik geschrieben - darf ich mir jetzt nachträglich ein ,dG' zu meinem Magistertitel stellen?" Im neuen Verteidigungsministerium in der Rossauer Kaserne hat der eine oder andere zivile Akademiker aus Protest den akademischen Grad von seinem Türschild entfernt, um nicht mit den wissenschaftlich minder qualifizierten Generalstäblern in einen Topf geworfen zu werden.
Genüsslich erzählen die zivilen Akademiker, welche Themen von der Universität Wien im Zuge des Anerkennungsverfahrens als einer Diplomarbeit gleichgestellt gewertet wurden. So hat sich der Kärntner Militärkommandant,
Generalmajor Gerd Ebner, seinen Magistertitel mit einer Studie über die "Schießausbildung an Handfeuerwaffen - Vergleiche mit dem Ausland" erschrieben.
Tatsächlich ergab eine Evaluierung der schriftlichen Arbeiten von Teilnehmern des Generalstabskurses in einem Workshop bereits im April 2000, dass einige Arbeiten nicht annähernd wissenschaftlichen Standards gerecht werden: "Es bleibt somit völlig unklar, was Gegenstand/Fragestellung der Arbeit ist", heißt es im abschließenden Bericht. Andererseits ließen manche Arbeiten den Bezug zum Studieninhalt - militärische Führung - vermissen.
Die zu späten akademischen Ehren gekommenen Generalstabsoffiziere sehen das ganz anders: Sie verweisen darauf, dass die jetzige Ausbildung der Generalstabsoffiziere durchaus auf ein wissenschaftliches Niveau gehoben wurde, dass die Kursteilnehmer einen Teil ihrer Ausbildung (etwa in Politikwissenschaft) an der Uni Wien absolvieren - und schließlich, dass auch schon in den Siebzigerjahren universitäres Lehrpersonal an der Landesverteidigungsakademie, der Trägerorganisation der Generalstabsausbildung, tätig war.
Einige Generalstabsoffiziere hätten auch noch Prüfungen nachmachen müssen.
Schließlich gehe es auch um den internationalen Vergleich: In den meisten Ländern wurde die höhere Offiziersausbildung schon vor Jahrzehnten akademisiert, die US-Akademie Westpoint und die Universität der Bundeswehr sind international hoch angesehen. Um dort weiterstudieren zu können, brauche man universitäre Zeugnisse aus dem Heimatland - aber damit kann die Landesverteidigungsakademie nicht dienen: Der Generalstabsausbildung wurde nämlich nie per Gesetz universitärer Charakter zuerkannt. Dienstrechtlich gelten Generalstäbler bisher nur im Verteidigungsressort als A-Beamte.
(Der Standard, Printausgabe 29. 12. 2004)

Beate Winkler: Lob für Österreichs Umgang mit dem Islam

Unter dem Titel "Österreich ist im Umgang mit der islamischen Minderheit ein Vorbild" liest man in der Welt einmal Lob für Österreichs Ausländerpolitik. Und das immerhin von Beate Winkler, die sich als Menschenrechtsexpertin immer wieder als Kritikerin der schwarz-blauen Regierung hervorgetan hatte. Die Leiterin der "Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" hatte wenige Tage nach Bildung der ÖVP-FPÖ-Koalition im Jahr 2000 im Standard gesagt: "Hier ist ein gefährlicher Präzedenzfall in Europa geschaffen worden. Dass es erlaubt ist, mit einer Partei wie der FPÖ, die gezielt mit Ausländerfeindlichkeit auf Stimmenfang geht, eine Koalition einzugehen. Wir sehen darin die Gefahr, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Wahlkämpfen gesellschaftsfähig wird."
In der Deutschen Welt weiß sie es nun besser:
DIE WELT: Welches Land würden Sie bei der Integration von
Ausländern als vorbildhaft bezeichnen?
Winkler: Was den Islam betrifft, ist
das ganz sicher Österreich, wo eine vergleichsweise geringe Islamfeindlichkeit
herrscht. Das hängt mit der Geschichte zusammen, der Islam hat dort eine
verfassungsrechtliche Grundlage, er ist eine Körperschaft des öffentlichen
Rechts. Das bedeutet, daß die Regierung einen ganz konkreten Ansprechpartner
hat. Und daß der Schulunterricht von den anerkannten Religionsgemeinschaften
gestaltet wird. Es gibt darüber hinaus ein Grundproblem: Nach meiner Auffassung
ist es in vielen Ländern häufig nicht gelungen, von einer Polarisierung
wegzukommen - hier die Guten, da die Bösen, hier die Ausländerfreunde, da die
-feinde. Man muß Kompetenz schaffen im Umgang mit "Fremdheit".

Die SPÖ gerät außer Tritt
- und Gusenbauer schaut weg

Jörg Haider hat es gut. Ohne viel eigenes Zutun treibt er die von ihm immer verachtete SPÖ von einer Verlegenheit zur nächsten. Und die Sozialdemokraten machen ihm auch noch die Freude, ihre eigene Unsicherheit im offenen Streit zur Schau zu stellen. Seit Peter Ambrozy seine für ihn selbst offenbar unerwartete Wahlniederlage durch eine überhastet abgeschlossene Koalitionsvereinbarung vergessen machen wollte, findet seine Kärntner SPÖ nicht mehr richtig Tritt.

Das hängt nicht nur damit zusammen, dass Parteichef Ambrozy mit nur sechs von zehn Delegierten hinter sich kaum noch Autorität in seiner Landespartei ausüben kann. Verschlimmert wird es dadurch, dass die Bundes-SPÖ nicht recht weiß, wie sie mit der vertrackten Situation in Kärnten umgehen soll. Eine breite Mehrheit der Funktionäre hat erst beim Parteitag im November dokumentiert, dass sie an der von Franz Vranitzky vorgelebten Linie festhalten will, bei der FPÖ nicht einmal anzustreifen, solange Haider dort etwas zu sagen hat. Andererseits sind die Bilder vom Spargelessen des SPÖ-Vorsitzenden Alfred Gusenbauer mit Jörg Haider noch in Erinnerung.

Gusenbauer tut daher jetzt, was für ihn selber das geringste Risiko bedeutet: Er verweist darauf, dass Kärnten eben Kärnten ist, mit spezifischen politischen Verhältnissen und regionalen Bedürfnissen. Und dass die dortigen Genossen im Übrigen schon wüssten, was sie zu tun hätten.

Wissen sie das wirklich? An einer symbolträchtigen Sachfrage - wie der Koralmtunnel zu finanzieren ist - hat sich gezeigt, wie es in der Partei drunter und drüber geht. Nun gibt es vernünftige Gründe sowohl für einen schnellen Bau des Tunnels - diese regionalpolitischen Argumente aufzuzählen werden Landespolitiker auf beiden Seiten des Gebirges zwischen Steiermark und Kärnten nicht müde. Und es gibt ebenso vernünftige Bedenken dagegen: Aus gesamtösterreichischer Sicht gibt es andere Prioritäten als diese südösterreichische Bahnverbindung.

So ist die SPÖ im Land für den Tunnel, im Bund dagegen. Aber nicht einmal das lässt sich konsequent durchsetzen - frustriert von den Misserfolgen scheren da und dort Politiker aus der Parteilinie aus: Wenn man das schon in einer Grundsatzfrage wie dem Verhältnis zu Haiders FPÖ darf, dann wohl erst recht in Sachfragen! Und wenn sich dabei noch ein paar persönliche Befindlichkeiten mit einbringen lassen: Umso besser - vielleicht glauben ja unbedarfte Wähler, dass das einen "menschlichen Zug" in der Politik ausdrücke.

Tatsächlich zeigt es aber nur, dass die SPÖ zwar gerne regiert - sich dabei aber nicht so gerne auf eine Linie festlegt, die dann auch von allen eingehalten wird. Ähnliches gibt es bei jeder Partei, die keine Mehrheit hat - ob auf Landes- oder Bundesebene; die Bundes-ÖVP hat es 1987 bis 2000 als Juniorpartner ebenso vorgeführt wie die Bundes-FPÖ seither. Aber da ging es nie um eine Frage wie die des grundsätzlichen Umgangs von SPÖ und FPÖ. Daher kann es sich Haider derzeit so gut gehen lassen.
(Erstveröffentlichung in: DER STANDARD, Printausgabe, 28.12.2004)

26.12.04

Mission im Abendland


Merkwürdig: Als Kindern war es uns irgendwie vertraut, dass Missionare aus unserer "zivilisierten" abendländischen Welt zu den armen "Negern", Indern oder sonstigen "Wilden" gehen, um ihnen unseren Herrgott nahe zu bringen. Zu Weihnachten ist die Welt am Sonntag diesem uns altvertrauten Muster nachgegangen und hat festgestellt: In vielen Gegenden der Welt herrscht tatsächlich die Annahme, dass wir Weisse Christen wären - aber in Wirklichkeit verehren wir ja doch den Mammon eher als den Herrgott.
Die WamS hat die sehr nachdenklich machende Geschichte eines politischen Flüchtlings, Richard Adu aus Kumasi, der zweitgrößten Stadt Ghanas, nachgezeichnet, der 1986 schockiert war, dass man ihm in Deutschland nicht einmal den Weg zur nächsten Kirche zeigen konnte, weil selbst die Flüchtlingsbetreuer in ihrem humanitären Engagement Gott entfremdet sind. Schon 2000 Menschen aus der Dritten Welt sind in Deutschland damit beschäftigt, das Land zu re-missionieren. Christlich zu missionieren, uns also den uns als unsere "eigene" Religion verloren gegangenen Glauben wieder zu bringen, in diesem Fall zwar in der protestantischen Variante, aber immerhin: Eine schöne Weihnachtsgeschichte!

25.12.04

Arbeiter unter Generalverdacht: Nachts eingesperrt!

The New York Times > New York Region > Janitors Say Supermarkets Are Still Locking Them In

Ich bin ja nicht unbedingt ein glühender Linker (wohl aber seit mehr als 25 Jahren Gewerkschaftsmitglied), aber was man gerade zu Weihnachten in der New York Times lesen kann, ist ja doch empörend: Dort wird das Reinigungspersonal unter dem Generalverdacht, dass es stehlen könnte, gleich vorweg eingesperrt - an jenem Arbeitsplatz, wo es aufräumen soll. Versperrte Notausgänge - und den Schlüssel hat nur der Manager, der erst in der Früh kommt. Ich hoffe, da kommt bei uns keiner auf üble Gedanken...
Dennoch: Frohe Weihnachten!

13.12.04

Arme Viecher

Wir alle hätten unsere Frühstückseier gerne von glücklichen Hühnern - solchen mit Auslauf im Garten, einer Sandkuhle zur Pflege des Gefieders und vielleicht einem schönen Gockelhahn in der Nähe, der auf dem Misthaufen sitzt und aus Leibeskräften kräht. Den Käse bitte von einer ähnlich glücklichen Kuh, die auf einer idyllischen Alpe lebt. Und der Schweinsbraten unserer kulinarischen Fantasiewelt kommt von quietschvergnügten Schweinderln, die sich im Schlamm suhlen und ihr Lebtag nur Biokost gefuttert haben.
Ja, das ist natürlich alles möglich. Kostet allerdings auch mehr - so viel mehr, dass derartig naturnah hergestellte Lebensmittel auf dem Massenmarkt nur bescheidene Chancen haben.
Denn Huhn, Rind und Schwein lassen sich rationeller in Massentierhaltung aufziehen - da sind die armen Viecher zwar nicht glücklich, aber den Konsumenten bleibt Geld übrig, das sie für Dinge ausgeben können, die ihnen wichtiger sind als das Essen. Und auch wichtiger als der Tierschutz. Deshalb mussten das neue Tierschutzgesetz und die Verordnungen dazu ziemlich unschöne Kompromisse machen: auf der einen Seite so viel Tierschutz wie möglich - auf der anderen Seite aber genau das technisch Mögliche mit dem für die Bauern wirtschaftlich Erträglichen ausbalancieren und Ausnahmen machen.
Massentierhaltung und schmerzhafte Eingriffe gibt es weiterhin - nicht nur bei uns, sondern auch in Nachbarstaaten, von wo billig produziertes Essen auf unseren Tisch kommt. Für die meisten Tiere - auch die den Beschützerinstinkt ansprechenden Hundewelpen und Katzenjungen - bringt das Tierschutzgesetz immerhin Verbesserungen. Wer aber den Nutztieren helfen will, muss künftig genau schauen, wo herkommt, was er isst - und für tiergerechte Produktion in Österreich mehr zahlen.

11.12.04

Wie die Missbrauchsvorwürfe im Bundesheer politisch missbraucht werden

Nach den Misshandlungsvorwürfen im Bundesheer - Rekruten wurden als "Opfer" von Geiselnahmen ausgebildet - steht nun eine völlige Neuorganisation an. Umgegliedert werden alle Strukturen, die von den Vorwürfen betroffen sind.

Zu Jahresende soll die neue Struktur des Bundesheeres und des Verteidigungsministeriums festgelegt werden - nach nur zweieinhalb Jahren in der noch vom freiheitlichen Minister Herbert Scheibner angeordneten Gliederung werden Kasernen gesperrt, Truppenteile aufgelöst und schließlich auch die Kommanden und der Generalstab neu geordnet.
Betroffen dürften nicht zufällig jene Teile des Heeres sein, die in den letzten beiden Wochen wegen der für Grundwehrdiener angeblich nicht vorgesehenen Ausbildung zu Gefangennahme und Geiselhaft kritisiert worden sind:

  • So steht die Tilly-Kaserne in Freistadt zur Schließung an - dort ist der Skandal zuerst ruchbar geworden.
  • Die erst im Jahr 1999 als gebirgsbewegliche präsente Brigade aufgestellte 6. Jägerbrigade steht ebenfalls zur Auflösung an - Verbände dieser Brigade in Landeck und Bludesch trafen die nächsten Vorwürfe.
  • Weiter reichende Pläne betreffen aber auch die höheren Kommanden: Derzeit gibt es ein Kommando Landstreitkräfte in Salzburg, ein Kommando Luftstreitkräfte in Langenlebarn und ein Kommando Internationale Einsätze in Graz. Dem Vernehmen nach sollen diese auf zwei völlig neu gestaltete Kommanden reduziert werden: Ein Kommando soll sich mit der Einsatzführung befassen und in Graz angesiedelt sein, das andere mit der Streitkräftebasis und Einsatzunterstützung (das betrifft Versorgung und Ausbildung) und in Salzburg bleiben.
  • Diese Änderung hätte auch Konsequenzen im Ministerium: Aus dem Führungsstab könnten Zuständigkeiten in das Kommando nach Salzburg wandern. Gleichzeitig soll der gesamte Generalstabsbereich von der Kontrollsektion durchleuchtet werden - auch wenn für alle Betroffenen eine Art Unschuldsvermutung gilt, ergeben sich Möglichkeiten zum Durchgreifen: So könnte es künftig zwei stellvertretende Generalstabschefs geben. Derzeit gibt es nur einen - den Generalstabsdirektor Generalleutnant Wolfgang Spinka, der letztlich auch für das Vorschriftenwesen im Bundesheer verantwortlich ist. Betroffen wäre von einer Änderung der Kompetenzen auch Generalmajor Christian Segur-Cabanac, der durch die Affäre derzeit unter massivem politischem Druck steht sowie die Brigadiere Johann Forster - er hat erst am 8. Oktober 2004 die "Durchführungsbestimmungen für die Ausbildung im Grundwehrdienst" um einen Passus betreffend Geiselnahme ergänzt - und der inzwischen suspendierte Helmut Meerkatz.
    Die drei betroffenen Offiziere galten während der Beratungen der Bundesheer-Reformkommission als strikte Gegner der Wehrdienstzeitverkürzung auf sechs Monate - auch der Kommandant der Landstreitkräfte, Generalleutnant Edmund Entacher, soll in der Kommission davor gewarnt haben, dass eine Wehrdienstzeitverkürzung bei gleichzeitig laufendem Assistenzeinsatz eine vollständige Ausbildung unmöglich mache und sechs Monate Grundwehrdienst mehr Leerlauf und weniger feldverwendungsfähige Soldaten ergäbe.

Dies passt aber nicht zur politischen Vorgabe, dass die Verkürzung im Wahljahr 2006 (und nicht erst bei Ende des Grenzeinsatzes frühestens 2007) erfolgen soll. Weiterer aus Sicht der ÖVP angenehmer Aspekt: Wenn das Kommando in Salzburg zusätzliche Aufgaben bekommt, müsste eine Neuausschreibung erfolgen - so könnte Generalleutnant Entacher, einer der wenigen der SPÖ zugeordneten Spitzenoffiziere - abgelöst werden.
Die Gegner der Wehrdienstzeitverkürzung stehen unter Rechtfertigungsdruck wegen der Geiselnahme-Ausbildungen - während die Reformbefürworter Auftrieb bekommen. Treibende Kraft ist der von Minister Günther Platter persönlich in die Reformkommission entsandte General Alfred Schätz, der 1990 bis 2003 Leiter des Heeresnachrichtenamtes (HNA), des Auslandsgeheimdienstes des Bundesheeres, war. Das HNA hat unter der Leitung von Schätz seinen ehemals gegen die CSSR gerichteten Horchposten in Blochwald als Dienststelle nach Freistadt verlegt - also in die Nähe jener Tilly-Kaserne, in der die ersten Misshandlungsvorwürfe aufgetaucht sind.