19.1.07

Verunsicherte Rechte

In seltsamer Montur erscheinen die höchsten Exponenten der freiheitlichen Partei auf den Bildern, die dieser Tage in Umlauf gebracht werden - aber da sei natürlich gar kein böser Hintergedanke dabei, wird allseits versichert. Dahinter gibt es einen harten Richtungskampf. Heinz-Christian Strache hatte, mit den alten Bildern konfrontiert, davon gesprochen, "dass hier offenbar ganz gezielt falsche Gerüchte verbreitet" würden. Dahinter vermutet wird der Herr aus der anderen Bilderserie - der von Strache durch Umgründung der Parteiakademie entmachtete Ewald Stadler.

Der junge Mann im Räuberzivil wollte wahrscheinlich wirklich nur spielen. In den späten Achtziger- und frühen Neunzigerjahren war ja in der FPÖ alles angesagt, was irgendwie nach tolldreistem Abenteuer ausgesehen hat. Wer damals in der Partei etwas gelten wollte, hatte tunlichst Schneid zu zeigen – und die braucht man, wenn man mit Luftdruckwaffen spielerisch aufeinander losgeht. Es ist ja nicht viel anders als das Mensur-Schlagen der Burschenschafter, nur halt mit weniger Tradition und weniger Stil. Und es ist auch nicht viel anders als jener Kampfsport, bei dem sich rechte Schläger für allfällige Einsätze stählen.

Die Grenzen verschwimmen da leicht. Da war von allen Beteiligten wohl auch ein Kalkül dahinter: Natürlich haben etliche Rechtsextreme versucht, sich in der überalterten Honoratiorenpartei FPÖ breit zu machen – die war ja damals so rasend erfolgreich, dass sie praktisch jeden Zulauf ungeprüft willkommen geheißen hat. Dass dabei manch zwielichtige Figur zum Freiheitlichen mutiert ist, mag durchaus erwünscht gewesen sein– solange dahinter die Absicht gestanden ist, Menschen von der rechtsextremen auf die rechte Bahn zu bringen, die zu demokratischer Gesinnung führt, ist dagegen auch wenig zu sagen.

Wirklich erfolgreich waren beide Seiten nicht – dass aus einem Neonazi ein lupenreiner Demokrat geworden wäre, ist nicht bekannt. Überhaupt dürfte es keinen massenhaften personellen Austausch zwischen den Gruppen gegeben haben. Aber dass sie einander gelegentlich näher gestanden sind, als es freiheitliche Politiker je zugeben wollten, wird durch die nun aufgetauchten Bilder aus den Jugendtagen von Parteichef Heinz-Christian Strache in peinlicher Weise belegt.

Zur Erinnerung: Das war die Zeit, als in Österreich Rechtsextremismus unter schärfere Beobachtung kam und der staatsgefährliche Charakter von rechtsextremen Wehrsportgruppen erstmals ernst genommen wurde. Es war auch die Zeit des Briefbomben-Terrors.

Strache war damals etwas über 20 Jahre alt und gemeinsam mit anderen jungen Anhängern der unter Jörg Haiders Führung stark wachsenden FPÖ bemüht, die Jugendkulturszene für die freiheitliche Bewegung zu gewinnen.

Einer der Akteure war damals Christian Böhm (der sich in Erinnerung an den Feldmarschall Böhm-Ermolli nannte) - er erblickte in der Techno-Szene einen "vitalistischen Jugendkult", der unabhängig von angloamerikanischen Einflüssen geblieben sei.

Schon damals wurde von einer "Unterwanderung" der Jugendkultur durch die rechte Szene gewarnt - und vor einer Vermengung der Spaßkultur rund um Paintball-Spiele mit den Wehrsport-Aktivitäten potenzieller rechter Gewalttäter.

Im aktuellen Kontext geht es aber nicht nur um die Vergangenheit, sondern um die Ausrichtung der Freiheitlichen Partei. Ewald Stadler würde ihr gern seine ideologische Prägung geben, Strache will das verhindern. Vom Europa-Abgeordneten Andreas Mölzer erhielt Strache jedenfalls Unterstützung: Strache sei "unbestritten". Der Parteichef will nun mit Stadler "in aller Ruhe" reden, der Rest der Partei übt sich derweil in Schweigen.

Es passt halt alles so schön ins Bild. Und die Gegner Straches wissen natürlich, wie wirkmächtig Bilder sind, sie haben ja von ihrem einstigen Parteichef Jörg Haider eine Menge über Bilder und Taferln lernen können. Dass die Bilder womöglich über die FPÖ-Abspaltung BZÖ_weitergereicht worden sind, schafft zusätzliches Misstrauen: Im freiheitlichen Lager weiß man wieder einmal nicht, wer Freund und wer Feind ist.

Dahinter steht ein massiver Richtungsstreit: Nachdem es Strache bei der Wiener Landtagswahl und der Nationalratswahl gelungen ist, das politische Überleben der FPÖ zu sichern, fällt einigen Funktionären ein, dass man ja auch schon einmal noch besser und noch erfolgreicher gelebt hat. Strache ist eben noch nicht so erfolgreich, wie es Jörg Haider in seiner besten Zeit war. Daher fragen sich manche, ob sein Kurs auch wirklich richtig ist: Kann die FPÖ mit einer konsequenten Politik für den „kleinen Mann“ und gleichzeitiger Dauermobilisierung in der Ausländerfrage noch einmal so erfolgreich sein wie vor zehn Jahren?

Und, nicht ganz so laut gefragt: Soll sie das überhaupt? Es gibt eine Reihe von Funktionären, denen die Erfolge der Haider-Jahre ohnehin nicht geheuer waren, weil sie zwangsläufig mit einem Linksruck verbunden gewesen sind.

Viele im freiheitlichen Lager sehnen sich nach der Heimeligkeit der alten Honoratiorenpartei zurück, in der man liberale Gesinnung und nationale Romantik verbunden hat, ohne damit auf Erfolg bei den Massen schielen zu müssen. Auch dazu ein Bild: Die in Kutten aus ungebleichter Schafswolle gehüllten Männer gehören keinem bösen Geheimbund an - mag es auch danach aussehen. Dass die Bilder derzeit mit hämischem Lachen von einem Freiheitlichen zum anderen weitergegeben werden, hat allenfalls damit zu tun, dass der Abgeordnete Ewald Stadler darauf zu sehen ist - bei rituellen Handlungen des 1218 gegründeten und seit drei Jahren wieder in Wien angesiedelten katholisch-konservativen Mercedarier-Ordens.

Dazu kommt die Facette, die Stadler (seinerzeit durchaus mit Billigung und Förderung Haiders) eingebracht hat: Das nationale Lager (aus der von vielen vergessenen Kulturkampfzeit des 19. Jahrhunderts strikt antiklerikal) müsste für ein langfristiges Überleben im rechtskonservativen Bereich seinen Frieden mit den konservativen Katholiken machen.

Dies würde ermöglichen, permanent in der Wählerschaft der ÖVP zu wildern, die als Massenpartei in einer immer säkulareren Gesellschaft zwangsläufig konservative Werte verraten muss. Ob das gelingen kann, ist zweifelhaft – und ob es mit den Grundsätzen der freiheitlichen Bewegung zu vereinbaren ist, noch mehr. Darum geht es im Streit der Bilder wirklich. (DER STANDARD, Printausgabe, 20./21.1.2007)

16.1.07

Die Stunde der linken Basis

Dass ich eines Tages aus der SPÖ solche Zustimmung bekommen würde, noch dazu vom linken Parteiflügel, hätte ich mir als gestandener Konservativer nicht erwartet. Ich habe nämlich im Standard geschrieben, dass es innerhalb der SPÖ zur Abwechslung gegen die eigene Regierung und gegen die eigene Partei geht, was eine Chance darstellt, dass die SPÖ nicht so wird wie die ÖVP - und das hat bei der Plattform www.Protestsektion.at guten Anklang gefunden.

Das also war mein Kommentar im Standard: "Alfred Gusenbauer hat sich in den sieben Jahren als Oppositionsführer wohl einen schöneren, glanzvolleren, von einmütiger Begeisterung der eigenen Gefolgschaft getragenen Start seiner Kanzlerschaft erträumt. Stattdessen gibt es Proteste, Parteiaustritte und jede Menge Ärger.

Das ist eingeübt, schließlich haben sich Gusenbauers Genossen in den vergangenen Jahren daran gewöhnt, all das, was von der Regierung kommt, mit größter Skepsis zu betrachten. Sie haben auch gelernt, wirksam zu protestieren. Jetzt geht es zur Abwechslung gegen die eigene Regierung und die eigene Partei.

Deren Spitze verhält sich aus Sicht der Basis kaum anders als es die ÖVP bisher getan hat: Wenig Diskussion über Inhalte, noch weniger über personelle Entscheidungen - dafür ein ziemlich hartes Durchziehen dessen, was man unabhängig von Wahlversprechen als unumgänglich erkannt zu haben glaubt.

So ein Verhalten hat die ÖVP-Parteibasis ziemlich lange und ziemlich leise (von gelegentlichen Ausbrüchen der Herren Fritz Dinkhauser und Erwin Pröll abgesehen) ertragen. Schließlich ging es ja um ein größeres Ganzes, um den Erfolg der Bewegung und was man sich halt sonst an Beruhigungspillen verschreiben lässt. In der SPÖ haben solche Ruhigstellungstherapien noch nicht begonnen - vor allem, weil es Gusenbauer noch nicht gelungen ist, sich selbst als erfolgreicher Kanzler zu stilisieren.

Es ist dies die Stunde der Basis und derer, die sich als ihre Vertreter wähnen: Ein Aufbegehren einer Landesorganisation, das jetzt durchgeht, wird diese Organisation auch in Zukunft stärken. Ein Basis-Netzwerk, das jetzt geknüpft wird, sollte sich auch bei künftigen Problemen aktivieren lassen. Es kann ein lebendiges soziales Gewissen der SPÖ sein. Und am Ende Gusenbauer vor Fehlern seines Vorgängers bewahren." (DER STANDARD, Printausgabe, 16.1.2007)

4.1.07

Koalitionsbildung jenseits der Klientelpolitik

Mag sein, dass die rot-schwarze Koalition noch nicht in allen Details feststeht, dass viele große Fragen und einige Strukturprobleme noch gar nicht gelöst sind. Vielleicht ist sie auch gar nicht so fix, wie ihre Verhandler das in den letzten Tagen hinausposaunt haben.
Aber eines erscheint ganz sicher: Wenn SPÖ und ÖVP zusammenkommen, dann wird der nächste Landwirtschaftsminister aus dem Bauernbund kommen. Und der nächste Sozialminister aus der SPÖ, und zwar aus dem Gewerkschaftsflügel, wenn schon nicht direkt aus dem weiterhin mit anderen Sorgen beschäftigten ÖGB. Das Wirtschaftsministerium wird der ÖVP-Wirtschaftsbund mit Zähnen und Klauen verteidigen, wenn es sein muss gegen eigene Parteifreunde. Während die SPÖ die Zuständigkeit für die Außen- und Bildungspolitik, an denen sie immer Interesse hatte, dringend zurückwill.
So stellt man sich eine große Koalition vor: Jeder hat seinen Schrebergarten, in dem er seine Hobbys leben und seine eigene Klientel gelegentlich zu einem mehr oder weniger üppigen Fest einladen kann. Das hat schon bei den früheren Auflagen der rot-schwarzen Zusammenarbeit für Unmut gesorgt.
Und dafür, dass im Land nichts weitergegangen ist.
Will man eine große Koalition, die richtig Politik macht und um der Sache willen auch zu streiten bereit ist, dann müsste man es genau umgekehrt angehen: Schwarzer Sozialminister, schwarzer Bildungsminister, roter Landwirtschafts- und Wirtschaftsminister. Die hätten dann keine Verpflichtungen gegenüber denen, die sie nach oben gebracht haben – umso mehr aber gegenüber der Republik. Sie müssten sich ihre Erfolge womöglich gegen Traktor- oder Gewerkschafterdemos erstreiten. Aber es könnte ein produktiver Streit mit besseren Ergebnissen sein.
(DER STANDARD, Printausgabe, 4.1.2007)