27.6.06

Nachruf auf einen Problembären

Bär Bruno ist also tot, Friede seiner Seele!

Moment einmal: Gemäß dem, was in den großen Religionen unseres Kulturkreises gelehrt wird, hat ein Tier keine Seele. Man darf nicht zu viel menschliches in einen Bären hineindenken - mag er auch noch so herzig ausschauen, mag er uns noch so an unsere Sammlung von Teddybären erinnern. Bär Bruno war ein Wildtier, das in die Landschaft, wie wir Menschen sie in den letzten 200 Jahren gestaltet haben, nicht passt.

Na klar haben wir alle mit heimlicher Freude verfolgt, wie dieser schlaue Bär seinen Verfolgern immer wieder entkommen ist. Sympathisch, dass es so etwas noch gibt: Ein wildes Tier, das schlauer ist als unsere hoch entwickelte Technik, das hier und dort auf- und gleich wieder abtaucht, Bärenfängern und ihren Hunden eine lange Nase zu zeigen scheint.

Eine Hetz ist das! Und wir Medien haben uns gerne an der Hetz beteiligt - freilich ohne feinfühligen Lesern dazuzusagen, dass "Hetz"von der Hatz auf wilde Tiere kommt, die darauf abzielt, diese zu Tode zu bringen.

Jetzt also wissen wir, wohin die Hetz geführt hat - und dass es gute sachliche Gründe gegeben hat, das vermeintlich liebe Viecherl abzuschießen. Der wesentlichste: Es ist einfach gefährlich, ein solches Tier in einem dicht besiedelten Raum frei herumlaufen zu lassen - unabhängig davon, ob sich der Bär in dieser Umgebung wohl gefühlt hat oder nicht. Er soll ja gelegentlich bei einem Café in einem bayerischen Kurort vorbeigeschaut haben, charmante Idee. Vielleicht hätten ihn ein paar Kurgäste auch gerne gestreichelt - was sicher keine gute Idee wäre: Für den Bären ist unsereins nämlich vor allem eine potenzielle Futterquelle.

Wenn dem herzigen Bären eingefallen wäre, einen unvorsichtigen Menschen anzufallen und anzufressen, wären die Sympathien für das Tier mit einem Schlag dahin gewesen und man würde mit gutem Recht fragen, warum denn die Behörden die Menschen nicht vor der Bestie geschützt haben. Würden wir als Erklärung akzeptieren: weil er ein sooo süßes Aussehen hat?

Wohl kaum. Umgekehrt müssen sich die verantwortlichen bayerischen Politiker nun vorhalten lassen, dass sie den guten Meister Petz einfach abknallen haben lassen. Es hätte dazu nur eine Alternative gegeben: Ihn zu fangen und wegzusperren - was bekanntlich um viel Steuergeld (das ist uns das herzige Tier allemal wert) versucht wurde und was misslungen ist.

Nun kann einem der Bär, der sich so tragisch in die Nähe unserer Zivilisation verirrt hat, durchaus leid tun - und die Trauer, die viele um ihn empfinden, ist gut nachzuvollziehen. Es ist die Trauer um das Wilde, um die erlebte Wildheit der Natur in unserer Umgebung. Für eine ganze Reihe von Tieren ist hier kein Platz mehr - und uns beschleicht das Gefühl, dass die Enge der Biotope auch unseren eigenen Lebensraum beschränkt.

Wir beobachten (falls wir uns die Mühe machen, hinzusehen): Elche sind hier nur noch Waldverwüster. Längst können die Hirsche, die früher in jedem Frühjahr von den Bergwäldern in die Auen und nach der Schneeschmelze wieder zurück gezogen sind, diese Wanderung nicht mehr machen. Autobahnen und Eisenbahnen, Dörfer und Industrieanlagen haben ihre Bewegungsfreiheit eingegrenzt - nicht viel anders als sie das für unsere Kinder tun. Wir können sie nicht einfach "hinaus zum Spielen"schicken (könnten wir übrigens erst recht nicht in Gegenden, in denen es Bären gibt) - und wir wissen, dass wir selbst zu wenig hin- aus in die Natur kommen.

Daher reagieren wir auch so gerührt, wenn im Zeichen des Bären zu Spenden für Naturschutzorganisationen aufgerufen wird: Wir versuchen, uns von der Verantwortung für eine Welt freizukaufen, in der kein Platz für Meister Petz und Meister Isegrim ist - wogegen auch gut gemeinte, aber in der kleinteiligen mitteleuropäischen Landschaft verfehlte Auswilderungsprojekte nichts helfen.

Meister Bruno Petz hat uns das vor Augen geführt.

23.6.06

Windenergie im tschechischen Exil

Wenn Ulfert Höhne seinerzeit auf Kraftwerke geklettert ist, dann war Protest angesagt: Seine ersten Schritte in der Energiewirtschaft tat er als Aktivist von Greenpeace. Steigt er heute auf Kraftwerke, so tut er es in durchaus freundlicher Absicht als Vorstand des Kraftwerksbetreibers Oekostrom AG - und zeigt stolz, was seine Krafwerke leisten, während andere eine Umweltgefahr darstellen.

Die weißen Wölkchen zum Beispiel, die man am fernen nordwestlichen Horizont sehen kann, gehören zum AKW Dukovany. Dieses ist quasi das Gegenbild zu der Energiezukunft, die man hier in luftiger Höhe auf der so genannten Gondel eines Windrads erleben kann. Es ist ein sanftes Bild, das die Unternehmen WEB Windenergie AG und Oekostrom AG zu vermitteln versuchen.

Dass sie das jenseits der tschechischen Grenze tun, hat allerdings weniger mit dem nahen Atommeiler zu tun als mit der österreichischen Energiepolitik: In Tschechien und Ungarn bekommen die Betreiber von Alternativ-Kraftwerken einen höheren Einspeisungstarif als in Österreich - und sie bekommen diesen auch noch auf 15 Jahre garantiert. Also weichen die Investoren in die Nachbarländer aus. Österreichs Nationalrat hat vor genau einem Monat seine Ökostrom-Förderung zurückgenommen - und der sonst so einspruchsfreudige Bundesrat hat die Materie durchgewunken.

"Dieses Gesetz trägt die Handschrift jedes einzelnen Lobbyisten", ärgert sich Höhne: Da waren auf der einen Seite die städtischen Kraftwerksbetreiber, die ihre Kraft-Wärme-Kupplungen gefördert sehen wollten - das hat dazu geführt, dass künftige Gaskraftwerke trotz ihres hohen Kohlendioxidausstoßes als "Ökostrom-Produzenten"gefördert werden können, bloß weil sie nebenbei auch Fernwärme produzieren.

Auf der anderen Seite waren es die Länder, die ihre Wasserkraftprojekte bis zur Größenordnung von 20 MW noch als Kleinwasserkraft einstufen lassen wollten - so wird das Salzach-Kraftwerk in Pfarrwerfen ebenfalls ein "Öko"-Mascherl bekommen - weshalb die SPÖ der gesetzlichen Neuregelung zustimmen konnte.

All das zu Lasten der Windkraft und der Fotovoltaik, fürchtet Höhne. Und er steht mit dieser Befürchtung nicht allein da: Die Grünen haben sogar den deutschen Alternativenergiepapst Hermann Scheer (er ist sozialdemokratischer Abgeordneter zum deutschen Bundestag) aufgeboten, um gegen die Novelle zu protestieren.

"Ökostromverhinderungsgesetz"nannte sie der deutsche Politiker und rechnete vor: "Die Festlegung auf 17 Millionen Euro Fördersumme pro Jahr für Solarstrom-, Bioelektrizitäts-, Wind-, und Geothermieanlagen würde bedeuten, dass in Österreich auf Jahre hinaus nur 0,3 Prozent der Investitionssumme aufgebracht würde, die in Deutschland dafür jährlich eingesetzt wird."

Die Grünen haben daher die Rücknahme der Novelle schon zur Koalitionsbedingung gemacht - und Grünen-Landesrat Rudi Anschober ist entschlossen, das auch als Wahlkampfthema zu spielen. Im STANDARD-Gespräch sagte Anschober, dass das deutsche Gesetz für Erneuerbare Energien (noch unter rot-grün beschlossen) "das große Vorbild" für Österreich wäre. Hierzulande habe es nach den einschneidenden Erlebnissen der Ölkrise 1973, der Zwentendorf-Abstimmung 1978, Hainburg 1984 und Tschernobyl 1986 zwar gute Ansätze geben - "in den letzten eineinhalb Jahrzehnten hat es aber keine Energiepolitik gegeben, die diesen Namen verdient hätte."

6.6.06

Ökosoziale Vision

Rund um Pfingsten hat sich das Ökosoziale Forum wieder einmal kräftig zu Wort gemeldet. Die "ökosoziale Marktwirtschaft", vom damaligen ÖVP-Chef Josef Riegler im Jahr 1990 mit mäßigem Erfolg als Wahlprogramm propagiert, gewinnt weltweit immer mehr Anhänger: Riegler gründete nach seinem Rückzug aus der Tagespolitik das "Ökosoziale Forum", dessen Präsident seit Sommer letzten Jahres der ehemalige Agrarkommissar Franz Fischler ist. In dieser Eigenschaft wirbt Fischler für den unter anderem vom deutschen Wirtschaftsprofessor Franz Josef Radermacherentwickelten "Global Marshall Plan". Derzeit etwa bei Vereinten Nationen in New York. Zu Fischlers Gesprächspartnern gehörten der Leiter des UNO-Entwicklungsprogramms (UNDP), Kemal Dervis, und die Leiterin des UNO-Kinderhilfswerkes (Unicef), Ann M. Veneman. Ziel ist die Vernetzung von NGOs mit UN-Oranisationen.

"Die heutige Zeit ist geprägt von Ich-AGs, der Pflege des Ellbogens, einer Verdummungsmaschinerie und auch einer Demoralisierung, hinter der ganz konkrete Verlockungen stehen. Was kann ich dagegen tun? Die derzeitige Dynamik im Weltgeschehen läuft darauf hinaus, dass einer kleinen Zahl von unvorstellbar Reichen eine schleichende Verarmung gegenübersteht.
Der ärmere Teil verharrt in Armut, der Mittelstand kommt unter Druck.
Das Vermögen der Superreichen steigt gigantisch an. Uns müsste es gelingen faire Chancen für alle zu schaffen. Das wäre ein populäres Kontrastprogramm.
Über den Tag hinaus ist die Vision das entscheidende. Die Vergangenheit des kapitalistischen Modells ist schon gekommen. Eine andere geistige Kraft ist schon da. Ich glaube an das. Pessimist zu sein ist heute sehr leicht, keine große Anstrengung. Aber was würde geschehen, wenn wir alle Pessimisten wären? Wir brauchen Optimisten, die bereit sind etwas zu tun."
(Auszug aus einer Mitschrift des Vortrages von Josef Riegler zu Pfingsten in Weiz)