27.9.11

Dass sich die Spitze der Koalition nun dazu bekennt, Aufträge für Inserate der Regierung nach objektivierten Kriterien zu vergeben, gibt Hoffnung

Henry Ford (1863-1947) wird der Ausspruch zugeschrieben, dass die Hälfte aller Werbeaufwendungen vergeblich wäre - dass er aber leider nicht wisse, welche Hälfte. Die Werbewirkungsforschung grübelt noch heute darüber. Und erst recht darüber, ob und wie Regierungspropaganda wirkt. Ganz ohne geht es nicht: Für die endlosen Programme, Absichtserklärungen und erst recht für die Erfolgsberichte der jeweiligen Regierung gibt es wenig redaktionellen Platz. Berichterstattung kann man nicht kaufen, journalistisches Wohlwollen schon gar nicht - aber Inseratenplatz steht gern zur Verfügung.

Das gehört zum Geschäft. Nicht zum Geschäft gehört, dass die mit Inseraten bedachten Medien ihre Gönner in der Folge hofieren - so steht es im Ehrenkodex für die österreichische Presse: "Eine Einflussnahme Außenstehender auf Inhalt oder Form eines redaktionellen Beitrags ist unzulässig." Dass in Einzelfällen dagegen verstoßen wird, ist schlimm genug. Und dass sich die Spitze der Koalition nun dazu bekennt, Aufträge für Inserate der Regierung nach objektivierten Kriterien zu vergeben, gibt Hoffnung. Vielleicht hat die Politik erkannt, dass jeder Eindruck, die Medien seien käuflich, der Demokratie schadet.

Man darf gespannt sein, wie der angekündigte Beirat die Regierungswerbung in der Praxis steuert. Und ob er durchgehen lässt, dass in Regierungskampagnen weiterhin mit dem Konterfei des jeweiligen Ministers geworben wird.

23.9.11

Offener Brief der Betriebsräte zur Inseratenaffäre

Meinungsfreiheit ist das höchste Gut einer Demokratie. Ohne unabhängigen Journalismus ist diese aber undenkbar. Um unabhängigen und qualitätsvollen Journalismus zu gewährleisten, ist ein wirtschaftliches Fundament von Medienunternehmen unabdingbar. Ein wesentlicher Teil dieses Fundaments und damit eines unabhängigen und qualitätsvollen Journalismus sind Inseratenaufträge. Dazu zählen auch Informationsschaltungen der öffentlichen Hand, insbesondere von Bundes- und Landesregierungen sowie staatseigener bzw. staatsnaher Betriebe. Diese müssen allerdings verantwortungsvoll und transparent mit Steuergeld umgehen. Das heißt: Ein Beeinflussen redaktioneller Berichterstattung ist unzulässig und selbst der Versuch auf das Schärfste zurückzuweisen. Einseitige Medien-„Förderung“ durch öffentliche Stellen ist ebenso inakzeptabel.

Als Betriebsräte und dem Ehrenkodex der österreichischen Presse verpflichtete Redakteure unabhängiger Qualitätsmedien sind wir besorgt über den Eindruck, der durch die Vergabepraxis in der Öffentlichkeit entsteht: dass nämlich redaktionelle Meinung durch Inserate gekauft werden kann. Wir fordern die Bundesregierung und die Landesregierungen daher eindringlich dazu auf, das Steuergeld für wichtige Informationen verantwortungsvoller und transparenter einzusetzen.



Carmen Baumgartner-Pötz, Betriebsratsvorsitzende „Tiroler Tageszeitung“
Christa Dietrich, stv. Betriebsratsvorsitzende „Vorarlberger Nachrichten“
Ute Groß, Betriebsvorsitzende „Kleine Zeitung“
Eike-Clemens Kullmann, Betriebsratsvorsitzender „Oberösterreichische Nachrichten“
Conrad Seidl, stv. Betriebsratsvorsitzender „Der Standard“
Christoph Silber, Betriebsratsvorsitzender „Kurier“
Martin Stricker-Neumayer, stv. Betriebsratsvorsitzender „Salzburger Nachrichten“

Rückfragen: Eike-Clemens Kullmann, 0664/4120459

13.9.11

Die Koalition kann nicht einmal richtig streiten - Da wenden sich die Bürger ab

Eigentlich wäre die Zeit so günstig wie nie: Noch nie hat die Zweite Republik eine so lange Legislaturperiode gehabt - und für lange Zeit wird es keine so lange wahlkampffreie Zeit geben wie in den Jahren 2011 und 2012, in denen die Bundesregierung nicht auf das Wählerverhalten in diesem oder jenem Bundesland Rücksicht nehmen muss. Eine ideale Zeit, mit ruhiger Hand zu regieren. Eine ideale Zeit auch zum Streiten.

Aber nicht einmal das kann diese Koalition richtig: Streiten mit dem Ziel, am Ende des Streits eine für beide Parteien tragbare und für das Staatsganze nützliche Lösung zu erzielen, traut man SPÖ und ÖVP nicht zu. Immerhin muss man zugeben, dass das Land nicht gar so schlecht verwaltet wird - im Rahmen der vorgegebenen Verwaltungsstrukturen. Diese aber sind längst als Kostentreiber identifiziert, doch die "Reformagenda Verwaltung" abzuarbeiten ist von den Regierungsparteien offenbar zu viel verlangt. Da bekämen sie rasch Erklärungsbedarf gegenüber ihren Landesorganisationen.

Diese stellen aber ohnehin schon allerlei despektierliche Fragen: Wofür "die in Wien" überhaupt gut wären, mault man bereits in der ÖVP-Basis. Und die ÖVP-Spitze hat tatsächlich den größten Erklärungsbedarf. Allgemein fällt auf, dass ihr politisches Konzept darin besteht, zu möglichen Änderungen Nein zu sagen - sei es zur Schwächung der Länder, zur Besteuerung privater Vermögen, zur Gesamtschule oder zu einem Berufsheer. Das Festhalten am Status quo ist auch für eine erklärt konservative Partei wie die ÖVP ein bisserl wenig Programm.

Alle Umfragen zeigen denn auch: Die ÖVP würde, wenn jetzt gewählt würde, maximal 25 Prozent (einen Prozentpunkt weniger als 2008) erreichen, vielleicht aber auch nur 23 oder gar 20 Prozent. Gut für die ÖVP, dass jetzt nicht gewählt wird. Schlecht für die ÖVP, dass sie sich nicht einmal selbst zutraut, bis zur nächsten Wahl inhaltlich und organisatorisch stark genug für den Kanzleranspruch zu werden.

Der SPÖ geht es besser - scheinbar jedenfalls: 28 bis 30 Prozent in den Umfragen, das ist eher schlechter als das letzte Wahlergebnis (29,5 Prozent) - aber an der roten Parteispitze kann man sich immerhin damit beruhigen, dass die SPÖ ziemlich unangefochten die Nummer eins ist. Beruhigen? Nein, das ist eigentlich nicht beruhigend, es stachelt erst recht die Kritik der Basis (und der Bundesländer) an: Wenn die SPÖ doch ohnehin relativ stark ist, warum macht sie dann nicht linke Politik? Das ist doch seit den frühen Tagen der schwarz-blauen Regierung versprochen worden - wurde dann mit roter Mehrheit aber weder von Alfred Gusenbauer noch von Werner Faymann eingelöst.

Zumindest den Anschein will man sich geben, ein wenig rote Flagge zeigen - ohne allerdings die in der Mitte der Gesellschaft etablierte Stammwählerschaft und ihr kleinformatiges Leibblatt zu verprellen.

Also wird ein bisserl Zwischenwahlkampf gemacht. Die Oppositionsparteien nehmen den Ball gern auf, so kommt ihre Kritik an den Zuständen so richtig zur Geltung. H.-C. Strache und die Seinen sehen es mit Vergnügen. Man übt schon einmal staatsmännische Posen, nicht nur im blauen Lager: Die Grünen versuchen sich als Europa-Partei. Vielleicht kann man ja so die verbliebenen politikinteressierten Bürger gewinnen. Von der österreichischen Innenpolitik wenden die sich nämlich verärgert ab.( DER STANDARD, Printausgabe, 13.9.2011)

8.9.11

Mein Treffen mit Dennis Meadows

Dass eine Krise eine Chance ist - wie oft hat er das gehört! Und tatsächlich stecke in einer Wirtschaftskrise die Möglichkeit einer Systemveränderung, "aber sie verkleinert auch den Zeithorizont. Wenn ich dich unter Wasser drücke, dann denkst du nicht an das kommende Jahr, dann denkst du nur, wie du wieder über Wasser kommst", sagt der amerikanische Professor Dennis L. Meadows, der 1972 mit seinem Bericht an den Club of Rome (The Limits to Growth) die Ökonomenzunft aufgerüttelt und der Umweltbewegung das wissenschaftliche Rüstzeug gegeben hat.

Vier Jahrzehnte später spricht in einem Standard-Interview tiefer Pessimismus aus dem Wissenschafter vom Massachusetts Institute of Technology: "Pessimismus? Vielleicht eher: Realismus. 1972 habe ich über die Welt nachgedacht, aber die war an meiner Meinung nicht sonderlich interessiert. Heute denke ich eher an einzelne Länder oder Regionen."

Widerstandsfähig statt nachhaltig

Auf Einladung von Umweltminister Nikolaus Berlakovich denkt Meadows unter anderem in Wien über Nachhaltigkeit nach - aber dem Minister hat er zu dessen Überraschung gesagt, dass Nachhaltigkeit - Sustainability - nicht ausreichend ist: "Was wir brauchen, ist nicht Sustainability, sondern Resilience, also eine elastische Widerstandsfähigkeit gegen katastrophale Entwicklungen. So wie sich ein Pflanzenbestand gegen einen natürlichen Feind wie eine Krankheit zu wehren bemüht."

1962, als er das erste Mal in Österreich gewesen ist, da habe in den ländlichen Regionen noch kaum jemand ein Auto gehabt, allenfalls hatte man ein Motorrad. Damals wäre noch Zeit zur Umkehr gewesen, auch zehn Jahre später noch, als sein Bericht an den Club of Rome eindringlich auf die Endlichkeit der Rohstoffreserven hingewiesen hat. Da hätte man noch auf ein nachhaltiges Wirtschaftssystem umschwenken können.

"Peak Oil" war bereits 2006

Seither hat sich die Weltbevölkerung mehr als verdoppelt - und bei einigen Rohstoffquellen ist schon spürbar, dass sie versiegen. "Peak Oil", das Maximum an konventioneller Ölförderung, ist nach den Berechnungen von Meadows bereits 2006 erreicht worden - neue Lagerstätten sind nur mehr sehr aufwändig zu erschließen. Wobei Meadows den österreichischen Umweltminister darauf hingewiesen hat, dass er nicht daran glaubt, dass der Ölpreis über die 200-Dollar-Marke und weiter ins Unermessliche steigen wird: "Ich sehe eher ein Szenario wie in Kriegszeiten - da regelt nicht der Markt den Preis, sondern der Staat die Verfügbarkeit. Man wird also Erdöl rationieren, da kann man dann nicht mehr einfach mit dem Auto spazieren fahren."

Ähnlich werde es mit dem Erdgas passieren: Wenn dieses in Russland knapp werde, dann würde es nicht bloß teuer - es würde für Westeuropa wahrscheinlich gar nicht mehr verfügbar sein. Ähnlich werde es wohl mit US-Energieimporten aus Kanada laufen: "Die behalten das einfach für sich, weil sie es selber brauchen. Es muss klar sein: Man kann das nicht alles substituieren. Wenn wir in den 1970er-Jahren gefordert haben, die Entwicklung des Ressourcenverbrauchs zu bremsen, so müssen wir heute davon ausgehen, dass wir ihn drastisch zurückfahren müssen. Und das heißt nach heutigen Begriffen: Der Lebensstandard wird drastisch sinken müssen."

Dass Österreich zumindest anstrebt, Energieautarkie zu erreichen, stellt für Meadows ein hehres Ziel dar, auch wenn er im Detail - etwa bei der Herstellung von Biosprit - Zweifel äußert. Aber im Wärmebereich sei Biomasse am besten geeignet, daheim in New Hampshire heize er auch mit Holz.

Die Kirche als Energiepartner

Stichwort Holzwirtschaft: Da meint er, dass es in Österreich einen potenten Partner für den Aufbau einer langfristig erhaltbaren Energieversorgung gebe: "Nehmen Sie die katholische Kirche. Klöster haben eine jahrhundertealte Erfahrung damit, relativ autark zu wirtschaften, sie haben forstwirtschaftliche Erfahrung und denken in viel längeren Zeiträumen als Ökonomen und Politiker."

Der Politik traut Meadows ohnehin nicht sehr, auch wenn er das Energiekonzept von Berlakovich lobt: "Aber was sagt denn der Wirtschaftsminister? Der hat doch üblicherweise andere Sorgen, der hat ja geradezu die Aufgabe, kurzfristige Erfolge zu erzielen, auch wenn diese langfristig das System belasten."

Und noch eine Portion Pessimismus zum Abschied: "Sie sehen doch, was die Krise bewirkt hat: Das Interesse am Klimawandel ist fast völlig erloschen." (Conrad Seidl, DER STANDARD, Printausgabe, 8.9.2011)