4.1.07

Koalitionsbildung jenseits der Klientelpolitik

Mag sein, dass die rot-schwarze Koalition noch nicht in allen Details feststeht, dass viele große Fragen und einige Strukturprobleme noch gar nicht gelöst sind. Vielleicht ist sie auch gar nicht so fix, wie ihre Verhandler das in den letzten Tagen hinausposaunt haben.
Aber eines erscheint ganz sicher: Wenn SPÖ und ÖVP zusammenkommen, dann wird der nächste Landwirtschaftsminister aus dem Bauernbund kommen. Und der nächste Sozialminister aus der SPÖ, und zwar aus dem Gewerkschaftsflügel, wenn schon nicht direkt aus dem weiterhin mit anderen Sorgen beschäftigten ÖGB. Das Wirtschaftsministerium wird der ÖVP-Wirtschaftsbund mit Zähnen und Klauen verteidigen, wenn es sein muss gegen eigene Parteifreunde. Während die SPÖ die Zuständigkeit für die Außen- und Bildungspolitik, an denen sie immer Interesse hatte, dringend zurückwill.
So stellt man sich eine große Koalition vor: Jeder hat seinen Schrebergarten, in dem er seine Hobbys leben und seine eigene Klientel gelegentlich zu einem mehr oder weniger üppigen Fest einladen kann. Das hat schon bei den früheren Auflagen der rot-schwarzen Zusammenarbeit für Unmut gesorgt.
Und dafür, dass im Land nichts weitergegangen ist.
Will man eine große Koalition, die richtig Politik macht und um der Sache willen auch zu streiten bereit ist, dann müsste man es genau umgekehrt angehen: Schwarzer Sozialminister, schwarzer Bildungsminister, roter Landwirtschafts- und Wirtschaftsminister. Die hätten dann keine Verpflichtungen gegenüber denen, die sie nach oben gebracht haben – umso mehr aber gegenüber der Republik. Sie müssten sich ihre Erfolge womöglich gegen Traktor- oder Gewerkschafterdemos erstreiten. Aber es könnte ein produktiver Streit mit besseren Ergebnissen sein.
(DER STANDARD, Printausgabe, 4.1.2007)