24.10.06

Der ÖGB muss sich im Kampf beweisen

Skeptische Mitglieder, die an der Befragung durch die Gewerkschaft unerwartet wenig Interesse zeigen, auf der einen und auf Mitsprache drängende Betriebsräte auf der anderen Seite: Die Reformdiskussion bringt die ÖGB-Spitze unter Druck.
Man kommt nicht umhin, die momentane ÖGB-Führung mit der unter Fritz Verzetnitsch zu vergleichen. Natürlich weiß man heute, dass da gemauschelt und vertuscht wurde – aber im Kernbereich, wo es um das Organisieren des Willens der Werktätigen gegangen ist, da hat der ÖGB funktioniert. Als vor fünf Jahren die Mitglieder zur Abstimmung darüber aufgerufen wurden, welche Politik er vertreten soll und wer wie Lohnverhandlungen führen soll, hat noch mehr als die Hälfte mitgemacht: 806.545 Stimmen waren ein starkes Signal.
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Andererseits hat die vor fünf Jahren durchgeführte Urabstimmung (an der nur Mitglieder teilnehmen durften) 806.545 ausgefüllte Fragebögen ergeben.
Damals, 2001, besann sich der ÖGB gerade darauf, dass er die Kampforganisation der Arbeitnehmer ist – auch wenn er seinen Kampf lieber gegen die Regierung statt um höhere Löhne und Gehälter geführt hat. Prinzipiell hat sich am Auftrag des ÖGB als Kampforganisation seither nichts geändert. Aber die Regierung ist abgewählt, was nur zu einem sehr kleinen Teil ein Erfolg der roten Gewerkschafter ist. Diese wurden ja von SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer im Wahlkampf wie entfernte Verwandte behandelt, deren man sich schämt.
Kämpfen muss man jetzt an einer anderen Front: Bei Löhnen und bei Arbeitsbedingungen – wobei die Gewerkschaften zeigen müssen, dass sie auch bei leeren Kassen ihre Kampfkraft aufrechterhalten können. Schafft der ÖGB das, wird ihm alles andere leichter nachgesehen werden können. Wenn jeder weiß, wo er an die Gewerkschaftsbewegung andocken kann und was sie ihm bringt, spielt der Bawag-Skandal keine Rolle mehr. Aber dieses Vertrauen ist noch lange nicht zurückerkämpft. (DER STANDARD, Printausgabe 20.10.2006)