28.12.04

Die SPÖ gerät außer Tritt
- und Gusenbauer schaut weg

Jörg Haider hat es gut. Ohne viel eigenes Zutun treibt er die von ihm immer verachtete SPÖ von einer Verlegenheit zur nächsten. Und die Sozialdemokraten machen ihm auch noch die Freude, ihre eigene Unsicherheit im offenen Streit zur Schau zu stellen. Seit Peter Ambrozy seine für ihn selbst offenbar unerwartete Wahlniederlage durch eine überhastet abgeschlossene Koalitionsvereinbarung vergessen machen wollte, findet seine Kärntner SPÖ nicht mehr richtig Tritt.

Das hängt nicht nur damit zusammen, dass Parteichef Ambrozy mit nur sechs von zehn Delegierten hinter sich kaum noch Autorität in seiner Landespartei ausüben kann. Verschlimmert wird es dadurch, dass die Bundes-SPÖ nicht recht weiß, wie sie mit der vertrackten Situation in Kärnten umgehen soll. Eine breite Mehrheit der Funktionäre hat erst beim Parteitag im November dokumentiert, dass sie an der von Franz Vranitzky vorgelebten Linie festhalten will, bei der FPÖ nicht einmal anzustreifen, solange Haider dort etwas zu sagen hat. Andererseits sind die Bilder vom Spargelessen des SPÖ-Vorsitzenden Alfred Gusenbauer mit Jörg Haider noch in Erinnerung.

Gusenbauer tut daher jetzt, was für ihn selber das geringste Risiko bedeutet: Er verweist darauf, dass Kärnten eben Kärnten ist, mit spezifischen politischen Verhältnissen und regionalen Bedürfnissen. Und dass die dortigen Genossen im Übrigen schon wüssten, was sie zu tun hätten.

Wissen sie das wirklich? An einer symbolträchtigen Sachfrage - wie der Koralmtunnel zu finanzieren ist - hat sich gezeigt, wie es in der Partei drunter und drüber geht. Nun gibt es vernünftige Gründe sowohl für einen schnellen Bau des Tunnels - diese regionalpolitischen Argumente aufzuzählen werden Landespolitiker auf beiden Seiten des Gebirges zwischen Steiermark und Kärnten nicht müde. Und es gibt ebenso vernünftige Bedenken dagegen: Aus gesamtösterreichischer Sicht gibt es andere Prioritäten als diese südösterreichische Bahnverbindung.

So ist die SPÖ im Land für den Tunnel, im Bund dagegen. Aber nicht einmal das lässt sich konsequent durchsetzen - frustriert von den Misserfolgen scheren da und dort Politiker aus der Parteilinie aus: Wenn man das schon in einer Grundsatzfrage wie dem Verhältnis zu Haiders FPÖ darf, dann wohl erst recht in Sachfragen! Und wenn sich dabei noch ein paar persönliche Befindlichkeiten mit einbringen lassen: Umso besser - vielleicht glauben ja unbedarfte Wähler, dass das einen "menschlichen Zug" in der Politik ausdrücke.

Tatsächlich zeigt es aber nur, dass die SPÖ zwar gerne regiert - sich dabei aber nicht so gerne auf eine Linie festlegt, die dann auch von allen eingehalten wird. Ähnliches gibt es bei jeder Partei, die keine Mehrheit hat - ob auf Landes- oder Bundesebene; die Bundes-ÖVP hat es 1987 bis 2000 als Juniorpartner ebenso vorgeführt wie die Bundes-FPÖ seither. Aber da ging es nie um eine Frage wie die des grundsätzlichen Umgangs von SPÖ und FPÖ. Daher kann es sich Haider derzeit so gut gehen lassen.
(Erstveröffentlichung in: DER STANDARD, Printausgabe, 28.12.2004)