29.9.08

Wahlkämpfen lohnt - besonders bei jungen Wählern

Was reitet wohl einen jungen Menschen, ausgerechnet eine Partei wie das BZÖ oder die Freiheitlichen zu wählen? Die Datenbasis, die eine Erklärung liefern könnte, ist dünn: Auch bei sehr großen Stichproben aus der Gesamtbevölkerung sind nur sehr wenige Erstwähler erfasst, weil diese ja nur einen kleinen Anteil an den Wahlberechtigten ausmachen.

Ziemlich sicher ist nur, dass die FPÖ einen hohen Anteil unter den jüngeren Wählern hatte – laut einer Wahltagsumfrage des GfK-Instituts ist sie bei den unter 30-jährigen die stärkste Partei und konnte jede dritte Stimme erringen.

Sind das alles potenzielle Rechtsextreme?

Natürlich nicht – auch wenn eine solche Behauptung gruselig-schöne Schlagzeilen hergeben könnte (wie sie vor allem in das von ausländischen Medien gepflegte simplifizierte Österreich-Bild passen).

Tatsächlich findet sich eine viel näher liegende Erklärung in dem Wust der Umfragedaten, die in den Tagen rund um die Wahl erhoben und veröffentlicht wurden: „Bringt frischen Wind in die Politik“ lautet eine auf die FPÖ gemünzte Aussage, der bei einer Umfrage von Sora 65 Prozent der Befragten aller Altersgruppen zugestimmt haben. Dass das BZÖ – genauer: sein Chef Jörg Haider – frischen Wind bringt, meinen sogar 67 Prozent.

Anderen Parteien wird das nicht zugetraut: Nicht den in Ehren ergrauten Spitzenkandidaten Heide Schmidt, Fritz Dinkhauser und Mirko Messner. Schon gar nicht den beiden Parteien, die bisher die Koalition gebildet haben. Diese haben das Land ja allenfalls passabel verwaltet; sie sind aber immer dann in fundamentale Konflikte gestolpert, wenn es darum gegangen wäre, wirklich zu gestalten. Und auch den Grünen kann man kaum noch nachsagen, dass sie irgendetwas Erfrischendes an sich hätten: Ihr Kernthema Umweltschutz ist längst zum Gegenstand einer breit angelegten Verwaltung geworden – wer sich gegen Umweltzerstörung wendet, hat keinerlei Rebellenstatus mehr.

Genau den können aber Heinz-Christian Strache und Jörg Haider immer wieder für sich in Anspruch nehmen: Ihnen glaubt man, dass sie anders sind als die anderen Politiker – auch wenn sie sich in den letzten Wochen vor der Wahl deutlich angepasster gekleidet haben und weniger rabaukenhafte Töne gegen die Ausländer angeschlagen haben.

Das hat sich gelohnt, nicht nur, aber vor allem im Bereich der jüngeren, mobilen Wähler. Satte zwei Drittel der vom BZÖ diesmal dazugewonnenen Wähler haben laut der GfK-Wahlforschung noch drei Wochen vor der Wahl nicht gewusst, dass sie am Ende die Orangen wählen würden, jeder zweite neue Wähler des BZÖ hat sich überhaupt erst in den letzten Tagen vor der Wahl entschlossen, seine Stimme Jörg Haider und dessen Gefolgschaft zu geben.

Diese Entwicklung belegt nicht nur, dass Haider ein höchst effizienter Wahlkämpfer ist. Es zeigt zudem, dass die Wähler mobil sind wie noch nie: Nur 67 Prozent gelten als „Early Deciders“, die schon drei Wochen vor der Wahl wussten, wo sie ihr Kreuzerl machen. Weitere zwölf Prozent entschlossen sich in den letzten ein bis zwei Wochen, 21 Prozent überhaupt erst in den letzten Tagen und Stunden.

Im Langzeitvergleich der Wahltagsbefragungen über 30 Jahre zeigt sich: Bei der Wahl von 1979 (Bruno Kreisky gewann damals gegen Josef Taus) hatte es erst neun Prozent „Late Deciders“ gegeben – ihr Anteil ist kontinuierlich auf 33 Prozent gestiegen.

Die GfK-Exit-Poll vom Sonntag zeigt auch, dass 28 Prozent diesmal Wechselwähler waren. Die Wahlforscher Peter Ulram und Fritz Plasser, die sich auf diese Daten stützen, halten sogar das noch für unterschätzt, während Sora-Wahlforscher Hofinger – er hat die Wahlen für den ORF mit Umfragen begleitet – eher davon ausgeht, dass nur 18 Prozent gewechselt haben. Auch das wäre (nach den für die ÖVP sensationell guten Verschiebungen des Jahres 2002) der zweithöchste Wert in der Geschichte der zweiten Republik.

Wahlkämpfen lohnt also – und diesmal hat es sich für die rechten Populistenparteien besonders gelohnt. Die Arge Wahlen hat in ihrer Wählerstromanalyse errechnet: 162.000 (ÖVP) bzw. 110.000 (SPÖ) Wähler gingen demnach zu den Freiheitlichen. Den jeweils zweitgrößten Wählerschwund verzeichneten Rot und Schwarz in Richtung BZÖ.

FPÖ und BZÖ sind halt Parteien, die für eine „andere“ Politik stehen, wobei niemand genau wissen will, „wie anders“ sie ist. Dass dieses Lager, als es – 1983 bis 1987 und 2000 bis 2007 – mit in der Regierung war, gar nicht so anders war als die anderen, ist längst vergessen. Und es wird vergessen bleiben, solange die Herren Strache und Haider nicht in all die Sachzwänge eingebunden werden, die die Entscheidungsfreiheit von Mitgliedern der Bundesregierung eben einschränken.

Heißt das, dass man das dritte Lager in die Regierung holen muss? Nicht unbedingt – aber die Geschichte hat gezeigt, dass es zweimal beinahe daran zerbrochen wäre.

Wenn jetzt die EU-skeptischen Parteien SPÖ, FPÖ und BZÖ miteinander eine Regierung versuchten, dann würde sich rasch zeigen: In der SPÖ sitzen Profis, die mit einer Ministerialbürokratie ebenso umgehen können wie mit den Usancen der Europäischen Union – während die Politiker der beiden rechten Oppositionsparteien hart auf dem Boden der Realität aufschlagen würden. In der Regierungsverantwortung helfen flotte Sprüche nicht, da geht es um Umsetzung.

Und da enttäuschen die Populisten rasch. Das ist nach 2000 dem Team Jörg Haider / Susanne Riess-Passer so ergangen, das hat ein paar Jahre später Alfred Gusenbauer und seinen Eurofighter-Populisten Norbert Darabos getroffen. Selbst der vergleichsweise biedere Norbert Steger hat in den Augen seiner Parteifreunde enttäuscht – was in diesem Fall den Populismus (den von Jörg Haider nach dem Innsbrucker Parteitag 1986) erst recht in Gang gesetzt hat.

Man muss sich also nicht allzu sehr davor fürchten, die Populisten in eine Regierung zu nehmen – sie sind in der Opposition viel gefährlicher.

Und wenn man es darauf ankommen lässt und – wie Werner Faymann – bei FPÖ und BZÖ nicht einmal anstreifen will? Da gibt es natürlich auch ein anderes Rezept: Man muss jene Themen ansprechen, die den jungen Menschen Vertrauen geben, dass sich Leistung lohnt. Und dass sie halbwegs sicher sind vor körperlicher Gewalt (die gerade unter den ganz jungen erschreckende Ausmaße angenommen hat) ebenso wie vor den Unwägbarkeiten der wirtschaftlichen Entwicklung.

Aus der Wahlforschung kann man nämlich herauslesen: Es gibt eine Reihe von Wahlmotiven, die bestimmte Bevölkerungsgruppen ansprechen – aber das, was dem älteren Teil der Bevölkerung attraktiv erscheinen mag, wird junge Wähler eben nicht ansprechen. Mag schon sein, dass die, die ein höheres Pflegegeld wünschen, sich bei der SPÖ viel wohler fühlen als bei der FPÖ. Mag sein, dass die, die ein ausgeglichenes Budget für langfristig wünschenswert halten, gerne zur ÖVP gehen. Aber solche Themen können junge Wähler kaum hinter dem Ofen hervorlocken. Ein konkretes Angebot an die Jugend fehlte diesmal.

21.9.08

Ist Wirtschaftskompetenz gleichgültig?

Das Wort „gleichgültig" könnte im Zusammenhang mit der bevorstehenden Nationalratswahl eine neue Deutung erfahren: Die große Mehrheit der Wahlberechtigten meint nämlich, dass zwischen den Parteien ohnehin keine großen Unterschiede bestünden – was diese oder jene Partei verspreche sei also gleich gültig. Oder auch gleich ungültig. Mehr denn je nehmen die Wähler die Kandidaten wahr, sich mit deren Konzepten auseinanderzusetzen, ist vielen Österreichern zu mühsam. Und ganz so wichtig nehmen es die Parteizentralen auch nicht mehr: Detaillierte Programme binden zu viele Kräfte, konkrete Festlegungen erschweren das Verhandeln nach der Wahl. SPÖ-Chef Werner Faymann hat schon verkündet, dass er lieber keine Koalitionsbedingungen stellen will. Da kann er nicht umfallen.

Aktuelle market-Umfragen zeigen, dass die Österreicher spüren, dass die Zeiten schwieriger werden. Nur 36 Prozent erwarten für die nächsten Monate eine positive Entwicklung, 20 Prozent dagegen eine schlechte. Der Rest ist verunsichert. Selber machen kann man ohnehin nicht viel. Und das Wenige – etwa eine private Vorsorge – ist angesichts der Kursschwankungen an den Börsen erst recht eine Quelle der Verunsicherung geworden. Im Vergleich dazu sind ein paar Cent, die eine Mehrwertsteuersenkung auf Grundnahrungsmittel bringen würden, ohnehin zu vernachlässigen.

Es geht in der Wirtschaftspolitik auch gar nicht mehr um die Abfederung der Teuerung, sondern um eine Absicherung des erreichten Niveaus an Beschäftigung, Wohlstand und sozialer Sicherheit. Wer kann das am ehesten? Die Kleinparteien werden in dieser Diskussion kaum noch wahrgenommen.

Und die großen Parteien, die – spät, aber doch – die Wirtschaft als Thema entdecken, präsentieren ihre Rezepte. Der jeweilige Mix aus wie viel Staat und wie viel privat, aus mehr oder weniger internationaler Verflechtung, aus mehr oder weniger Budgetdisziplin, ist durchaus unterschiedlich. Wenn dieser Unterschied aber von den Wählern nicht wahrgenommen wird, zählt am Ende nur, wer mehr Vertrauen gewinnt, wenn er behauptet, seine Partei sei die eigentliche Wirtschaftspartei.

4.9.08

Populismus um den Eurofighter

Wenn man Verteidigungsminister Norbert Darabos zuhört, wie er seine Geheimabsprachen mit dem Eurofighter-Hersteller aller Kritik des Rechnungshofs zum Trotz in großartige Geschäftsmodelle umzudeuten versucht, dann könnte er einem beinahe leid tun: Der Mann weiß es nicht besser. Und er bemitleidet sich inzwischen auch selber, wenn er in Interviews von schlaflosen Nächten erzählt; und davon, dass er sich immer wieder vergewissern muss, dass er die Eurofighter schließlich nicht selber gekauft hat.

Dabei tut der Minister so, als ob Landesverteidigung eine persönliche Angelegenheit wäre; eine, in der der Minister nach eigenen Befindlichkeiten (und vorschnellen eigenen Wahlversprechen) zu handeln hätte. Das ist Landesverteidigung aber nicht: Sie ist eine Staatsaufgabe, die vom Bundesheer und dem zugehörigen Verteidigungsministerium wahrzunehmen ist – ganz unabhängig davon, wie sich der verantwortliche Minister dabei fühlt. Das Verteidigungsministerium hat – wie der Rechnungshof in mehreren Prüfungen bestätigt hat – in einer späten, aber nachvollziehbaren und sachlich korrekten Entscheidung im Sommer 2002 den Eurofighter als das bestgeeignete Flugzeug für die Sicherung des österreichischen Luftraums gewählt. Und zwar unabhängig davon, ob diese Auswahl für Politiker und Bevölkerung besonders angenehm erschienen ist.

Tatsächlich war der Eurofighter – wie übrigens jedes andere vergleichbare Flugzeug (denkt noch jemand daran, dass die MiG-29 ernsthaft als Alternative erwogen wurde?) – stets unpopulär: Der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser hätte dem Vernehmen nach am liebsten ganz auf Abfangjäger verzichtet, die Grünen ebenso, die damals oppositionelle SPÖ hätte sich allenfalls mit einer Billiglösung arrangieren können und die FPÖ, die den Verteidigungsminister stellte, war offenbar auch nur für kurze Zeit bereit, den gemeinsam mit der ÖVP gefassten Beschluss mitzutragen.

Schon wenige Wochen nach der Typenentscheidung wurde das gesamte Paket aufgeschnürt – unter dem Eindruck des damaligen „Jahrhunderthochwassers“ und einer inzwischen ebenso vergessenen Steuerreformdiskussion. Schon in dem ersten Jahr zwischen der Typenentscheidung und dem eigentlichen Vertragsabschluss wurde getrickst was das Zeug gehalten hat.

Und von dem vorher schlüssigen Konzept blieb wenig übrig. Das Konzept besagte: Österreich müsste in einer großen Kraftanstrengung seine Luftkapazität auf modernsten Stand bringen – und diese neue Qualität auch international in die Auslage stellen. Vorgesehen waren 24 Flugzeuge, von denen man sechs auch für internationale Einsätze abstellen wollte – ein Plan, der Charme hat: An vielen Konfliktherden, an die das Bundesheer „Peacekeeper“ entsendet, ist es für Infanteristen brandgefährlich. Es ist ja bisher eher Glückssache gewesen, dass bei Einsätzen zwischen Tschad und Kosovo, dem Libanon und Afghanistan, Bosnien und dem Golan nur vereinzelt gefallene Österreicher zu beklagen waren. Könnte Österreich bei internationalen Einsätzen statt Bodentruppen Hightech-Flugzeuge für die Überwachung von Krisenregionen anbieten, dann wäre das Risiko für die Soldaten geringer und das Prestige für das Land höher.

Aber diese Option wurde schon unter der ersten schwarz-blauen Regierung zerschlagen – die Zahl der zu bestellenden Flugzeuge wurde auf 18 reduziert. Und es begann eine erste Runde von Nachverhandlungen – an deren Ende steht, dass Österreich statt 24 der besten Kampfflugzeuge der Welt 15 Stück einer deutlich schwächeren Version bekommt. Und zwar gebraucht, was weniger im Sinne Österreichs als der Herstellernationen ist, weil die Herstellerländer die ersten Flieger gerne hergeben. Sie wollen eben lieber das beste und modernste Gerät betreiben.

Immerhin wollte das die Regierung Schüssel II auch noch – obwohl der damalige Verteidigungsminister Günther Platter offenbar bereits unter dem Druck stand, bei der Beschaffung zu sparen. Die Regierung hat 2003 unter Minister Platter 18 Stück Tranche 2/Block 8 bestellt – allerdings hat man auch damals schon auf einige, ursprünglich für wichtig gehaltene Ausrüstungsteile verzichtet. Mit dem Hersteller Eurofighter GmbH wurde man sich offenbar auch deshalb rasch einig, weil die Hersteller aus politischen Gründen (populistische Politiker gibt es nicht nur bei uns, sondern auch in den Eurofighter-Partnernationen Großbritannien, Deutschland, Italien und Spanien) mit der Fertigung der technisch höherwertigen Tranche 2 gebremst wurden. Österreich wollte seine ersten Flugzeuge aber schon im Jahr 2007 haben und so wurde vereinbart: Zuerst sollten sechs Stück Block 1/Tranche 5 geliefert werden und diese sechs Flugzeuge (7L-WA bis WF) würden vom Hersteller auf dessen eigene Kosten nach der Lieferung der letzten Tranche 2/Block 8 Maschine (vorgesehen für Mitte 2009) auf diesen Standard nachgerüstet. Für Österreich ein gutes Geschäft: Käme die Eurofighter GmbH mit diesem Lieferplan auch noch in Verzug, hätte sie saftige Konventionalstrafen zu zahlen gehabt.

So wie es jetzt ausschaut, wäre dieser Fall tatsächlich eingetreten: Österreich hätte – wenn auch mit Verspätung – modernste Flugzeuge bekommen, vorher aber Millionen Euro an Pönalezahlungen kassiert.

Stattdessen hat Platters Nachfolger, der immer noch amtierende Verteidigungsminister Darabos – ohne Zuziehung von Experten – mit dem Hersteller verhandelt. Dass er dabei über den Tisch gezogen werden könnte, war ihm wohl nicht bewusst. Jetzt sind die angesprochenen Neuflugzeuge aus der ersten Tranche die technisch bestausgestatteten Flieger, dazu bekommt das Bundesheer gebrauchte Maschinen, die das pazifistische Gewissen des Ministers besänftigen mögen, bei denen aber sogar die Selbstschutzsysteme (die das Überleben der Piloten in einem allfälligen Luftkampf ermöglichen sollten) eingespart wurden. Und unter dem Strich steht fest: Österreich kommen die Einsparungen, auf die Minister Darabos so stolz ist, viel teurer als er selber zugibt.

Und es muss hoffen, dass die abbestellten Fähigkeiten der Eurofighter nicht früher gebraucht werden als uns lieb sein kann.


(Erstveröffentlichung in der Raiffeisenzeitung vom 4. September 2008)