Wahlkämpfen lohnt - besonders bei jungen Wählern
Was reitet wohl einen jungen Menschen, ausgerechnet eine Partei wie das BZÖ oder die Freiheitlichen zu wählen? Die Datenbasis, die eine Erklärung liefern könnte, ist dünn: Auch bei sehr großen Stichproben aus der Gesamtbevölkerung sind nur sehr wenige Erstwähler erfasst, weil diese ja nur einen kleinen Anteil an den Wahlberechtigten ausmachen.
Ziemlich sicher ist nur, dass die FPÖ einen hohen Anteil unter den jüngeren Wählern hatte – laut einer Wahltagsumfrage des GfK-Instituts ist sie bei den unter 30-jährigen die stärkste Partei und konnte jede dritte Stimme erringen.
Sind das alles potenzielle Rechtsextreme?
Natürlich nicht – auch wenn eine solche Behauptung gruselig-schöne Schlagzeilen hergeben könnte (wie sie vor allem in das von ausländischen Medien gepflegte simplifizierte Österreich-Bild passen).
Tatsächlich findet sich eine viel näher liegende Erklärung in dem Wust der Umfragedaten, die in den Tagen rund um die Wahl erhoben und veröffentlicht wurden: „Bringt frischen Wind in die Politik“ lautet eine auf die FPÖ gemünzte Aussage, der bei einer Umfrage von Sora 65 Prozent der Befragten aller Altersgruppen zugestimmt haben. Dass das BZÖ – genauer: sein Chef Jörg Haider – frischen Wind bringt, meinen sogar 67 Prozent.
Anderen Parteien wird das nicht zugetraut: Nicht den in Ehren ergrauten Spitzenkandidaten Heide Schmidt, Fritz Dinkhauser und Mirko Messner. Schon gar nicht den beiden Parteien, die bisher die Koalition gebildet haben. Diese haben das Land ja allenfalls passabel verwaltet; sie sind aber immer dann in fundamentale Konflikte gestolpert, wenn es darum gegangen wäre, wirklich zu gestalten. Und auch den Grünen kann man kaum noch nachsagen, dass sie irgendetwas Erfrischendes an sich hätten: Ihr Kernthema Umweltschutz ist längst zum Gegenstand einer breit angelegten Verwaltung geworden – wer sich gegen Umweltzerstörung wendet, hat keinerlei Rebellenstatus mehr.
Genau den können aber Heinz-Christian Strache und Jörg Haider immer wieder für sich in Anspruch nehmen: Ihnen glaubt man, dass sie anders sind als die anderen Politiker – auch wenn sie sich in den letzten Wochen vor der Wahl deutlich angepasster gekleidet haben und weniger rabaukenhafte Töne gegen die Ausländer angeschlagen haben.
Das hat sich gelohnt, nicht nur, aber vor allem im Bereich der jüngeren, mobilen Wähler. Satte zwei Drittel der vom BZÖ diesmal dazugewonnenen Wähler haben laut der GfK-Wahlforschung noch drei Wochen vor der Wahl nicht gewusst, dass sie am Ende die Orangen wählen würden, jeder zweite neue Wähler des BZÖ hat sich überhaupt erst in den letzten Tagen vor der Wahl entschlossen, seine Stimme Jörg Haider und dessen Gefolgschaft zu geben.
Diese Entwicklung belegt nicht nur, dass Haider ein höchst effizienter Wahlkämpfer ist. Es zeigt zudem, dass die Wähler mobil sind wie noch nie: Nur 67 Prozent gelten als „Early Deciders“, die schon drei Wochen vor der Wahl wussten, wo sie ihr Kreuzerl machen. Weitere zwölf Prozent entschlossen sich in den letzten ein bis zwei Wochen, 21 Prozent überhaupt erst in den letzten Tagen und Stunden.
Im Langzeitvergleich der Wahltagsbefragungen über 30 Jahre zeigt sich: Bei der Wahl von 1979 (Bruno Kreisky gewann damals gegen Josef Taus) hatte es erst neun Prozent „Late Deciders“ gegeben – ihr Anteil ist kontinuierlich auf 33 Prozent gestiegen.
Die GfK-Exit-Poll vom Sonntag zeigt auch, dass 28 Prozent diesmal Wechselwähler waren. Die Wahlforscher Peter Ulram und Fritz Plasser, die sich auf diese Daten stützen, halten sogar das noch für unterschätzt, während Sora-Wahlforscher Hofinger – er hat die Wahlen für den ORF mit Umfragen begleitet – eher davon ausgeht, dass nur 18 Prozent gewechselt haben. Auch das wäre (nach den für die ÖVP sensationell guten Verschiebungen des Jahres 2002) der zweithöchste Wert in der Geschichte der zweiten Republik.
Wahlkämpfen lohnt also – und diesmal hat es sich für die rechten Populistenparteien besonders gelohnt. Die Arge Wahlen hat in ihrer Wählerstromanalyse errechnet: 162.000 (ÖVP) bzw. 110.000 (SPÖ) Wähler gingen demnach zu den Freiheitlichen. Den jeweils zweitgrößten Wählerschwund verzeichneten Rot und Schwarz in Richtung BZÖ.
FPÖ und BZÖ sind halt Parteien, die für eine „andere“ Politik stehen, wobei niemand genau wissen will, „wie anders“ sie ist. Dass dieses Lager, als es – 1983 bis 1987 und 2000 bis 2007 – mit in der Regierung war, gar nicht so anders war als die anderen, ist längst vergessen. Und es wird vergessen bleiben, solange die Herren Strache und Haider nicht in all die Sachzwänge eingebunden werden, die die Entscheidungsfreiheit von Mitgliedern der Bundesregierung eben einschränken.
Heißt das, dass man das dritte Lager in die Regierung holen muss? Nicht unbedingt – aber die Geschichte hat gezeigt, dass es zweimal beinahe daran zerbrochen wäre.
Wenn jetzt die EU-skeptischen Parteien SPÖ, FPÖ und BZÖ miteinander eine Regierung versuchten, dann würde sich rasch zeigen: In der SPÖ sitzen Profis, die mit einer Ministerialbürokratie ebenso umgehen können wie mit den Usancen der Europäischen Union – während die Politiker der beiden rechten Oppositionsparteien hart auf dem Boden der Realität aufschlagen würden. In der Regierungsverantwortung helfen flotte Sprüche nicht, da geht es um Umsetzung.
Und da enttäuschen die Populisten rasch. Das ist nach 2000 dem Team Jörg Haider / Susanne Riess-Passer so ergangen, das hat ein paar Jahre später Alfred Gusenbauer und seinen Eurofighter-Populisten Norbert Darabos getroffen. Selbst der vergleichsweise biedere Norbert Steger hat in den Augen seiner Parteifreunde enttäuscht – was in diesem Fall den Populismus (den von Jörg Haider nach dem Innsbrucker Parteitag 1986) erst recht in Gang gesetzt hat.
Man muss sich also nicht allzu sehr davor fürchten, die Populisten in eine Regierung zu nehmen – sie sind in der Opposition viel gefährlicher.
Und wenn man es darauf ankommen lässt und – wie Werner Faymann – bei FPÖ und BZÖ nicht einmal anstreifen will? Da gibt es natürlich auch ein anderes Rezept: Man muss jene Themen ansprechen, die den jungen Menschen Vertrauen geben, dass sich Leistung lohnt. Und dass sie halbwegs sicher sind vor körperlicher Gewalt (die gerade unter den ganz jungen erschreckende Ausmaße angenommen hat) ebenso wie vor den Unwägbarkeiten der wirtschaftlichen Entwicklung.
Aus der Wahlforschung kann man nämlich herauslesen: Es gibt eine Reihe von Wahlmotiven, die bestimmte Bevölkerungsgruppen ansprechen – aber das, was dem älteren Teil der Bevölkerung attraktiv erscheinen mag, wird junge Wähler eben nicht ansprechen. Mag schon sein, dass die, die ein höheres Pflegegeld wünschen, sich bei der SPÖ viel wohler fühlen als bei der FPÖ. Mag sein, dass die, die ein ausgeglichenes Budget für langfristig wünschenswert halten, gerne zur ÖVP gehen. Aber solche Themen können junge Wähler kaum hinter dem Ofen hervorlocken. Ein konkretes Angebot an die Jugend fehlte diesmal.
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