Der ÖAAB: Vordenker oder nur noch Bremser?
Es gab Zeiten, da galt der Arbeitnehmerflügel der ÖVP als die Gedankenschmiede für die gesamte Partei - was der Arbeiter- und Angestelltenbund ÖAAB in den Siebziger- und Achtzigerjahren an Denkanstößen gegeben hat, reichte weit über die aktuelle Politik hinaus. Der damalige Generalsekretär Walter Heinzinger war ein Vordenker der ökosozialen Marktwirtschaft. Er lud auch zu einem "Zeitkongress" ein, auf dem das Verhältnis von Arbeits- und Freizeit, Lebenserwartung und Lebensgestaltung diskutiert und "Zeitsouveränität" gefordert wurde - während SPÖ und Gewerkschaft monoton die Forderung nach der 35-Stunden-Woche trommelten. Diese ist längst kein Thema mehr - während die 30 Jahre alten ÖAAB-Vorstellungen zu einer umfassenden Betrachtung, wie die Politik mit der Zeit der Menschen umgehen sollte, heute breit aufgegriffen werden; zuletzt von der SPÖ-Klubklausur in der Vorwoche.
Und was tut der ÖAAB jetzt? Er bestätigt jene Führung, die in den vergangenen Monaten die programmatische Diskussion in der ÖVP weitgehend anderen überlassen hat - was zu dem ziemlich unrunden Perspektivenpapier geführt hat, in dem die ÖVP sich unter anderem vorgenommen hat, Arbeitnehmerrechte zurückzustutzen und Kollektivvertragsverhandlungen zugunsten von Gnadenakten der Unternehmer abzuschaffen. Parteichef Wilhelm Molterer hat diese vom Wirtschaftsbund diktierten Forderungen umgehend als "klaren Umsetzungsauftrag" bezeichnet. Der Arbeitnehmerflügel brauchte zwölf Tage, um das zurückzuweisen.
Statt vorzudenken und zu gestalten, statt eine Plattform für Arbeitnehmerinteressen jenseits der Gewerkschaftspolitik zu bilden, hat sich der ÖAAB auf das verlegt, was sein jetziger Chef, der Beamtenvertreter Fritz Neugebauer, am besten kann: Abwehrkämpfe führen. Nachdem andere entschieden haben.
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