12.10.07

Was haben wir im Tschad zu suchen?

Tschad - wo ist das eigentlich? Wer das Land auf der Afrika-Karte überhaupt findet, darf sich schon eines guten Geografie-Verständnisses rühmen. Wer vom Konflikt im benachbarten Darfur weiß, kann als weltgewandt gelten. Wer gehört hat, dass in der östlichen Grenzregion des Tschad eine Viertelmillion sudanesischer Flüchtlinge - Opfer jenes Konflikts in Darfur - plus rund 170.000 Vertriebene und Wirtschaftsflüchtlinge aus dem eigenen Land leben, ist mit der Lage schon so weit vertraut wie österreichische Politiker.

Mehr muss man hierzulande üblicherweise nicht von der Region verstehen. Schließlich: Was haben wir Österreicher eigentlich dort zu suchen? Schnelle, ungerechte Antwort: Öl könnte man dort suchen - davon gibt es dort wahrscheinlich große Lagerstätten. Diese sind wiederum einer der Streitpunkte, warum es überhaupt den Konflikt in Darfur gibt.

Wer Öl sucht, will also dorthin. China drängt hin. Libyen erst recht. Und Frankreich - das sein geostrategisch begründetes Interesse am afrikanischen Öl allerdings nicht als nationale Aufgabe deklariert, sondern als europäisches Interesse, das eben von Frankreich wahrgenommen wird, weil sich die Franzosen in Afrika traditionell gut auskennen.

Wer also jetzt Truppen in die afrikanische Unruheregion schickt, gerät leicht in den Verdacht, eigentlich ganz andere Interessen zu haben als bloß die Befriedung der Nachbarschaft.

Es ist dennoch nicht falsch, wenn Österreich sich dem von Frankreich dominierten (wenn auch nicht befehligten) EU-Kontingent zum Schutz der Flüchtlinge im Tschad anschließt: Natürlich gibt es dort eine Aufgabe zu erfüllen, die das Bundesheer seit Jahr und Tag als Unternehmensziel herausstellt: Schutz und Hilfe zu geben, wo andere nicht mehr können. Wobei die schon jetzt im Tschad tätigen Hilfsorganisationen darauf hinweisen, dass es ihnen mehr um den Schutz geht - helfen würden sie schon selber, wenn sie unbehelligt blieben.

Die Mission im Tschad ist also eine im Kern militärische - hier geht es darum, massive Präsenz zu zeigen, um den bewaffneten paramilitärischen Kräften in der Region die Lust an eigenen Operationen, vor allem solchen zulasten der Zivilbevölkerung, zu nehmen. Das sieht nach aktueller Lagebeurteilung ganz gut aus; und ist aus jetziger Sicht wohl auch bewältigbar.

Dafür hat das Bundesheer ja seine Spezialeinsatzkräfte. Und aus deren Reihen wird zu Recht gefragt: Wann, wenn nicht jetzt, wo die europäische Sicherheitspolitik unsere Fähigkeiten anfordert, sollen wir denn überhaupt eingesetzt werden?

Gibt es hier Ruhm zu gewinnen? Vielleicht. Denn die österreichischen Spezialeinsatzkräfte haben einen hohen Ausbildungsstand und wären der Herausforderung wohl gewachsen, selbst wenn es wirklich krachen sollte. Und in der Logik solcher Truppen liegt auch, dass sie sich mit dem Hinweis auf derartige gefährliche Missionen Budgetmittel für besseres, gegen Minen und andere Rebellenwaffen geschütztes Gerät verschaffen können.

Das sei ihnen gegönnt - es trifft aber natürlich nicht den wahren Grund, warum Österreichs bestausgebildete Soldaten freiwillig nach Afrika zu marschieren bereit sind. Sie verstehen, dass es hier um die Chance geht, bei einem europäischen Friedensprojekt dabei zu sein.

Wenn die Mission gut läuft, dann kann Europa im Tschad Anstand gegenüber den Ärmsten unter den Konfliktopfern zeigen - und gleichzeitig vorbeugen, damit diese nicht in absehbarer Zeit als Asylwerber irgendwo in die EU einsickern.

Zu bedenken ist aber auch, dass die Mission vielleicht nicht so gut laufen könnte. Dass also der Konflikt eskalieren kann, der Bürgerkrieg im Tschad ebenso wie in Darfur wieder auflebt. Dann sind wesentlich mehr als die bisher geplanten 2300 Mann der EU gefragt. Und dann ist auch eine strategische Frage zu stellen: Was sucht Europa dann, wenn es nicht mehr bloß um Humanität geht, wirklich: Anstand? Ruhm? Öl?