25.7.07

Die Politik gängelt die Eltern, anstatt ihre freie Entscheidung zu fördern

Worum geht es eigentlich in der schon Wochen dauernden Diskussion um Kinderbetreuung und Kindergeld, Vorschule und Betreuungsplätze? Um Zuverdienstgrenzen? Um Integration? Um Frauen (Männer werden da kaum erwähnt), die Beruf und Familie vereinbaren wollen?

Ja, um das alles geht es auch. Aber vor allem geht es um Kinder und deren Wohlergehen.

Das gerät leicht aus dem Blick, wenn man nur über Geld redet. Weil aber jetzt ziemlich gleichzeitig über vorschulische Förderung, Kinderbetreuungsgeld und Kinderbetreuungsplätze diskutiert wird, ergibt sich einmal die Chance, diese Themen zusammenzufangen und klarzustellen: Kinderbetreuungsgeld ist eine finanzielle Leistung des Staates, mit der die beste Betreuung für Kinder ermöglicht werden soll.

Beste Betreuung kann heißen, dass Papa oder Mama daheim beim Kind sind. Es kann aber auch heißen, dass die Eltern beschließen, das Kinderbetreuungsgeld einzusetzen, wie das in einer Marktwirtschaft eben üblich ist: zum Zukauf einer Betreuungsleistung, die sie selbst für das Kind nicht erbringen können oder wollen.

Eben deshalb sind ja die Zuverdienstgrenzen so abwegig: Wenn Mütter – wie auch die große Mehrzahl der Väter, die sich der Kinderbetreuung nicht widmen wollen – meinen, dass es besser ist, arbeiten zu gehen, als beim Kind zu bleiben, dann sollte gerade die finanzielle Leistung des Kindergeldes das ermöglichen. Und zwar unabhängig vom Einkommen der Mutter oder des Vaters.

Das Kindergeld würde damit zum Motor für eine andere Entwicklung, die von der Politik seit Jahren als zu langsam beklagt, aber nie richtig beschleunigt wurde: Die Zahl der Betreuungsplätze für kleine und kleinste Kinder steigt bisher nicht in dem Maße, in dem sich das PolitikerInnen und wohl auch etliche tausend Eltern wünschen würden.

Marktwirtschaftlich gedacht: Wenn eine so massive Nachfrage nach Kinderbetreuungsplätzen besteht, dann müssten diese auch ohne viel Zutun der Politik entstehen.

Dies allerdings nicht in öffentlich finanzierten Krippen und Krabbelstuben, sondern aus privater Initiative. Jawohl, es gibt Mütter, die sich dafür entscheiden, beim Kind zu bleiben und ihm Zuwendung zu geben – und das Kinderbetreuungsgeld könnte sehr gut dafür verwendet werden, dass ein, zwei berufstätige Mütter aus der Nachbarschaft eine andere Mutter dafür bezahlen, dass sie als Tagesmutter zusätzlich auf "fremde" Kinder aufpasst. Dies würde zusätzliches Einkommen und wohl auch zusätzliches Selbstwertgefühl für die Frauen bringen, die beim Kind bleiben.

Den verantwortlichen PolitikerInnen gefallen solche Lösungen aber nicht. Sie sind nicht durch die Verwaltungsstruktur steuerbar. Sie schaffen keine neu gebauten Kindergärten, die man vor einer Wahl fotogerecht eröffnen kann. Und sie schaffen keine Arbeitsplätze – weil Mütterarbeit, auch die von Tagesmüttern, nicht als "richtige" Arbeit gilt.

Man darf gespannt sein, was mit den 60 Millionen Euro, die nun für Kindergärten bereitgestellt werden, tatsächlich passiert. So wie es derzeit aussieht, fließen sie in genau das System, das schon bisher nicht funktioniert hat.

Und das vor allem dort an seine Grenzen stößt, wo Kinder Zuwendung brauchen, aber bestenfalls Aufbewahrung bekommen. Aufbewahrungsstätten kann man ja errichten – kleinstrukturierte, liebevolle Betreuung und die Anregung, die es durch familiäre Kleingruppen für die kleinen Kinder gibt, lassen sich damit aber nicht organisieren.

Das bleibt an den Eltern hängen: Sie müssen entscheiden, was für ihre Kinder wohl die bestmögliche Förderung in ihrer individuellen Umgebung darstellt. Sie müssen selbst wissen, wie viel sie dazu beitragen können oder wollen – unabhängig von einer Gängelung durch Einkommens- oder Arbeitszeitgrenzen.

Dass Eltern unabhängig und frei entscheiden können, trauen ihnen die Politiker aber offensichtlich nicht zu. (Conrad Seidl/DER STANDARD, Printausgabe 25.07.2007)