26.2.08

Wozu eigentlich Steuerreform

Die Gewerkschaften können sich derzeit noch so sehr um angemessene kollektivvertragliche Erhöhungen bemühen - was im Vorjahr durchschnittlich dabei herausgekommen ist, sind laut Statistik Austria durchschnittlich 2,2 Prozent und damit genau so viel, wie die Steigerung des Verbraucherpreisindex ausmacht. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer kann sich also nicht mehr und nicht weniger leisten als ein Jahr davor.

Inflationsdruck im Sinne einer Ausweitung der Geldmenge gibt es von dieser Seite also nicht. Ebenso wenig könnte aber durch die Arbeitnehmereinkommen ein Nachfrageschub ausgelöst werden. Dieser wäre allerdings bei einer schwächelnden Konjunktur willkommen: Es käme nicht nur einzelnen Beschäftigten, sondern weiten Kreisen der Wirtschaft durchaus gelegen, wenn etwas mehr Geld im Börsel übrig wäre und das Börsel selber daher lockerer sitzen könnte.

Man würde also annehmen, dass die Festlegung von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, die für das Wahljahr 2010 geplante Steuerreform auf den nächsten Jahresbeginn vorzuziehen, mit entsprechender Begeisterung aufgenommen würde. Das aber passiert nicht.

Nicht vonseiten der Wirtschaft, der eine höhere Kaufkraft der Arbeitnehmer höhere Umsätze versprechen würde - denn in Wirtschaftskreisen weiß man recht gut, dass eine Steuerreform erst einmal seriös zu finanzieren ist, damit sie nicht im Nachhinein teuer bezahlt werden muss. Geld, das der Staat nicht wirklich hat, zu verteilen heizt ja die Inflation erst richtig an.

Dieses streng ökonomische Argument ist aber wohl nicht das Hauptmotiv, aus dem die Forderung nach einer vorgezogenen Steuerreform in einer eben abgeschlossenen market-Umfrage von einer so breiten Bevölkerungsmehrheit abgelehnt wird.

Vielmehr haben die Österreicher in den letzten 25 Jahren ein halbes Dutzend Steuerreformen (darunter Karl-Heinz Grassers "größte Steuerreform aller Zeiten") angepriesen bekommen. Wer dann am Stichtag der Reform auf den Gehaltszettel geschaut hat, war meist enttäuscht, dass die Reform gerade für das eigene Einkommen leider, leider nicht so viel gebracht hat, wie man sich das von den Politikern hat versprechen lassen.

Und so reihen sich die Erwartungen an eine Steuerreform in dieselbe Kategorie wie jene an den Begriff Pensionsreform, der in der Ära Schüssel im öffentlichen Bewusstsein diskreditiert wurde: Man erwartet für sich selber keinen Vorteil - aber gleichzeitig eine Schwächung des gesamten Systems.

Wenn Politiker dann auch noch besonders viel Reformwillen zeigen, reagiert man mit besonderer Skepsis. Und diese schlägt dem Bundeskanzler nun eben auch aus Umfragen entgegen: Gut 70 Prozent meinen, dass sie von einer Reform wenig bis gar nicht profitieren würden. Schließlich hat Gusenbauer schon klar gesagt, dass er jegliche Vermögenszuwächse besteuern will - was genau jene private Altersvorsorge (etwa in Wertpapieren oder in Eigentumswohnungen) treffen würde, die sich die Österreicher geschaffen haben, um die Folgen der Pensionsreformen individuell abzusichern.

Könnte die SPÖ unter solchen Voraussetzungen Rückenwind bei vorgezogenen Neuwahlen erwarten? Das darf bezweifelt werden: Schon bisher haben Steuerreformen keine positiven Impulse für Wahlkämpfe geliefert - im Gegenteil. Im Jahr 2002, als es zwei annähernd gleich starke Regierungsparteien gab, drängte eine davon so stark auf eine Steuerreform, dass es erst die Partei und dann die Regierung zerriss: Die FPÖ zerspragelte sich in Knittelfeld, die bei der Steuerreform bremsende ÖVP gewann die darauf folgende Nationalratswahl.

Eine Wiederholung kann sich Alfred Gusenbauer wohl kaum wünschen.