26.10.07

Die SPÖ lernt das Heer zu lieben...

Nach einem interessanten Besuch bei den Präsentationen des Nationalfeiertags und nach Lektüre dessen, was meine Freunde bei airpower.at geschrieben haben, konnte ich im Standard folgenden Leitartikel unterbringen:

Erstmals seit einem Vierteljahrhundert feierte das Bundesheer den Nationalfeiertag mit einem sozialdemokratischen Minister - und es feierte nicht anders als es vordem mit schwarzen und blauen Ministern gefeiert hatte: große Heerschau auf dem Heldenplatz, feierliche Angelobung von Rekruten. Der Bundespräsident und der Bundeskanzler, der Verteidigungsminister und der Wiener Bürgermeister stolz vereint in der ersten Reihe bei der größten Werbeveranstaltung des Bundesheeres.

Kann sich noch jemand daran erinnern, wie wütend die SPÖ in den Neunzigerjahren gegen das "Militärspektakel" auf dem Heldenplatz protestiert hatte? Oder ist das vielleicht jetzt ein anderes Bundesheer, weil es vom Sozialdemokraten Norbert Darabos geführt wird?

Äußerlich nicht, das konnte man auf dem Heldenplatz sehen. Und wie das Heer sich innerlich ausrichtet, wird sich erst zeigen: Eben hat Darabos die Ausschreibung für die höchsten Posten in Bundesheer und Verteidigungsministerium veröffentlicht - es pfeifen die Spatzen von den Dächern, dass in der Folge einige SPÖ-nahe Offiziere in Spitzenfunktionen kommen sollen.

Das ist nicht so schlimm, wie es klingt: Erstens sind diese Offiziere hochqualifiziert - aber der früheren Ressortführung weniger zu Gesicht gestanden. Zweitens ist es durchaus wünschenswert, wenn die informellen Strukturen und die eingefahrenen Denkschienen, die sich in der militärischen Führung etabliert haben, durch neue Leute aufgemischt werden.

Der Verteidigungsminister selbst gibt darin ein erstaunliches Vorbild: Sein mutiges Eintreten für einen Einsatz des Bundesheeres in Afrika zeugt von einem strategischen Verständnis, das in der SPÖ nicht sehr weit verbreitet ist. In den Tschad zu gehen, das bedeutet auch: die geostrategische Bedeutung des afrikanischen Kontinents zu erkennen. Es bedeutet auch, die europäische Dimension der Verteidigungspolitik anzuerkennen.

Wer mit den Franzosen in den Einsatz in den Tschad geht, der bekennt sich zu den Zielen, die im EU-Reformvertrag festgeschrieben sind. Da steht ja eindeutig, was die Union will: "Sie sichert eine auf zivile und militärische Mittel gestützte Fähigkeit zu Operationen. Auf diese kann die Union bei Missionen außerhalb der Union zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit zurückgreifen."

Innenpolitisch kann man natürlich ein Neutralitätsbekenntnis nach dem anderen abgeben - aber was die österreichische Regierung mit dem EU-Reformvertrag akzeptiert hat, weist eben weit darüber hinaus. Denn mit diesem Vertrag nimmt die Union das Militär und die gemeinsame Operationsfähigkeit ernst - gegenseitige Hilfsverpflichtungen sind da ebenso eingeschlossen wie die Selbstverpflichtung, die eigenen Streitkräfte entsprechend auszurüsten und gegebenenfalls eben doch gemeinsam zu marschieren.

Mit gewissen Vorbehalten im Einzelfall wohl auch mit Soldaten des Bundesheeres.

Die FPÖ, die in dieser Frage offenbar klarer sieht als andere Parteien, spuckt Gift und Galle gegen diese Entwicklung - vergeblich. Witzigerweise stimmt ihr ausgerechnet die KPÖ in dieser Frage zu.

Alle anderen sehen den schrittweisen Aufbau einer europäischen Kampffähigkeit als unvermeidbar, möglicherweise sogar als wünschenswert an. Vielleicht hat man in der SPÖ ja gelernt - und geht bloß taktisch klüger vor als seinerzeit die ÖVP mit ihrem Nato-Jubelkurs: Man lässt die Dinge herankommen und nennt sie neutralitätskonform, dann schmecken sie gleich besser.

Dazu passt, dass man im Verteidigungsministerium noch nicht so genau weiß (oder wissen will), ob der Eurofighter bei der EURO den Luftraum sichern soll oder nicht. Eine Entscheidungshilfe gäbe es inzwischen: Das 1:1-Modell des Eurofighters war eine der großen Attraktionen auf dem Heldenplatz.

Das Publikum hat den Eurofighter zu lieben gelernt, vielleicht wird er ja noch eine heimliche Liebe des Ministers.

15.10.07

Der ÖAAB: Vordenker oder nur noch Bremser?

Es gab Zeiten, da galt der Arbeitnehmerflügel der ÖVP als die Gedankenschmiede für die gesamte Partei - was der Arbeiter- und Angestelltenbund ÖAAB in den Siebziger- und Achtzigerjahren an Denkanstößen gegeben hat, reichte weit über die aktuelle Politik hinaus. Der damalige Generalsekretär Walter Heinzinger war ein Vordenker der ökosozialen Marktwirtschaft. Er lud auch zu einem "Zeitkongress" ein, auf dem das Verhältnis von Arbeits- und Freizeit, Lebenserwartung und Lebensgestaltung diskutiert und "Zeitsouveränität" gefordert wurde - während SPÖ und Gewerkschaft monoton die Forderung nach der 35-Stunden-Woche trommelten. Diese ist längst kein Thema mehr - während die 30 Jahre alten ÖAAB-Vorstellungen zu einer umfassenden Betrachtung, wie die Politik mit der Zeit der Menschen umgehen sollte, heute breit aufgegriffen werden; zuletzt von der SPÖ-Klubklausur in der Vorwoche.

Und was tut der ÖAAB jetzt? Er bestätigt jene Führung, die in den vergangenen Monaten die programmatische Diskussion in der ÖVP weitgehend anderen überlassen hat - was zu dem ziemlich unrunden Perspektivenpapier geführt hat, in dem die ÖVP sich unter anderem vorgenommen hat, Arbeitnehmerrechte zurückzustutzen und Kollektivvertragsverhandlungen zugunsten von Gnadenakten der Unternehmer abzuschaffen. Parteichef Wilhelm Molterer hat diese vom Wirtschaftsbund diktierten Forderungen umgehend als "klaren Umsetzungsauftrag" bezeichnet. Der Arbeitnehmerflügel brauchte zwölf Tage, um das zurückzuweisen.

Statt vorzudenken und zu gestalten, statt eine Plattform für Arbeitnehmerinteressen jenseits der Gewerkschaftspolitik zu bilden, hat sich der ÖAAB auf das verlegt, was sein jetziger Chef, der Beamtenvertreter Fritz Neugebauer, am besten kann: Abwehrkämpfe führen. Nachdem andere entschieden haben.

12.10.07

Was haben wir im Tschad zu suchen?

Tschad - wo ist das eigentlich? Wer das Land auf der Afrika-Karte überhaupt findet, darf sich schon eines guten Geografie-Verständnisses rühmen. Wer vom Konflikt im benachbarten Darfur weiß, kann als weltgewandt gelten. Wer gehört hat, dass in der östlichen Grenzregion des Tschad eine Viertelmillion sudanesischer Flüchtlinge - Opfer jenes Konflikts in Darfur - plus rund 170.000 Vertriebene und Wirtschaftsflüchtlinge aus dem eigenen Land leben, ist mit der Lage schon so weit vertraut wie österreichische Politiker.

Mehr muss man hierzulande üblicherweise nicht von der Region verstehen. Schließlich: Was haben wir Österreicher eigentlich dort zu suchen? Schnelle, ungerechte Antwort: Öl könnte man dort suchen - davon gibt es dort wahrscheinlich große Lagerstätten. Diese sind wiederum einer der Streitpunkte, warum es überhaupt den Konflikt in Darfur gibt.

Wer Öl sucht, will also dorthin. China drängt hin. Libyen erst recht. Und Frankreich - das sein geostrategisch begründetes Interesse am afrikanischen Öl allerdings nicht als nationale Aufgabe deklariert, sondern als europäisches Interesse, das eben von Frankreich wahrgenommen wird, weil sich die Franzosen in Afrika traditionell gut auskennen.

Wer also jetzt Truppen in die afrikanische Unruheregion schickt, gerät leicht in den Verdacht, eigentlich ganz andere Interessen zu haben als bloß die Befriedung der Nachbarschaft.

Es ist dennoch nicht falsch, wenn Österreich sich dem von Frankreich dominierten (wenn auch nicht befehligten) EU-Kontingent zum Schutz der Flüchtlinge im Tschad anschließt: Natürlich gibt es dort eine Aufgabe zu erfüllen, die das Bundesheer seit Jahr und Tag als Unternehmensziel herausstellt: Schutz und Hilfe zu geben, wo andere nicht mehr können. Wobei die schon jetzt im Tschad tätigen Hilfsorganisationen darauf hinweisen, dass es ihnen mehr um den Schutz geht - helfen würden sie schon selber, wenn sie unbehelligt blieben.

Die Mission im Tschad ist also eine im Kern militärische - hier geht es darum, massive Präsenz zu zeigen, um den bewaffneten paramilitärischen Kräften in der Region die Lust an eigenen Operationen, vor allem solchen zulasten der Zivilbevölkerung, zu nehmen. Das sieht nach aktueller Lagebeurteilung ganz gut aus; und ist aus jetziger Sicht wohl auch bewältigbar.

Dafür hat das Bundesheer ja seine Spezialeinsatzkräfte. Und aus deren Reihen wird zu Recht gefragt: Wann, wenn nicht jetzt, wo die europäische Sicherheitspolitik unsere Fähigkeiten anfordert, sollen wir denn überhaupt eingesetzt werden?

Gibt es hier Ruhm zu gewinnen? Vielleicht. Denn die österreichischen Spezialeinsatzkräfte haben einen hohen Ausbildungsstand und wären der Herausforderung wohl gewachsen, selbst wenn es wirklich krachen sollte. Und in der Logik solcher Truppen liegt auch, dass sie sich mit dem Hinweis auf derartige gefährliche Missionen Budgetmittel für besseres, gegen Minen und andere Rebellenwaffen geschütztes Gerät verschaffen können.

Das sei ihnen gegönnt - es trifft aber natürlich nicht den wahren Grund, warum Österreichs bestausgebildete Soldaten freiwillig nach Afrika zu marschieren bereit sind. Sie verstehen, dass es hier um die Chance geht, bei einem europäischen Friedensprojekt dabei zu sein.

Wenn die Mission gut läuft, dann kann Europa im Tschad Anstand gegenüber den Ärmsten unter den Konfliktopfern zeigen - und gleichzeitig vorbeugen, damit diese nicht in absehbarer Zeit als Asylwerber irgendwo in die EU einsickern.

Zu bedenken ist aber auch, dass die Mission vielleicht nicht so gut laufen könnte. Dass also der Konflikt eskalieren kann, der Bürgerkrieg im Tschad ebenso wie in Darfur wieder auflebt. Dann sind wesentlich mehr als die bisher geplanten 2300 Mann der EU gefragt. Und dann ist auch eine strategische Frage zu stellen: Was sucht Europa dann, wenn es nicht mehr bloß um Humanität geht, wirklich: Anstand? Ruhm? Öl?