30.8.06

Ansprüche an die Gewerkschaft

„Menschen, die ihrem Unternehmen ein Leben lang gedient hätten und damit einen maßgeblichen Anteil am Aufbau der Republik getragen hätten, würden jetzt ‚um ihre zugesicherten und ehrlich verdienten Leistungen betrogen‘.“ Daher würden Gewerkschaft und Arbeiterkammer mit einer Verbandsklage die betroffenen Pensionisten und Arbeitnehmer unterstützen.

Nein, diese Aussage bezieht sich nicht auf die 2652 Arbeitnehmer und Pensionisten, die um ihre Ansprüche aus teilweise jahrzehntelanger Arbeit als hauptamtliche ÖGB-Mitarbeiter zittern müssen – und schon gar nicht auf deren ehemaligen Chef Fritz Verzetnitsch, der seine Ansprüche nach 36 Dienstjahren auf die Kleinigkeit von 800.000 Euro hochrechnet.

Das einleitende Zitat ist vielmehr 18 Jahre alt. Es stammt aus einer Zeit, als der ÖGB noch eine schlagkräftige Kampforganisation war, deren oberste Priorität die Verteidigung der Ansprüche seiner Mitglieder war. Heute aber muss die Organisation selbst um ihr Überleben kämpfen – ein Betrag von 800.000 Euro scheint dem einst als unermesslich reich geltenden Gewerkschaftsbund tatsächlich wehzutun.

Noch mehr zu schmerzen scheint, dass durch den Streit mit dem Ex-Präsidenten der Eindruck entsteht, dass es sich in der Zentrale des ÖGB ein paar superreiche Bonzen richten können. Dass mit dem daraus abgeleiteten Neidgefühl in Österreich gut Politik zu machen ist, versteht nicht nur die ÖVP-Arbeitnehmerorganisation ÖAAB (die bemüht ist, sich als Alternative zur Gewerkschaft zu profilieren), man weiß es in der Gewerkschaftsorganisation selbst nur allzu gut.

Für jene, die über dem Durchschnitt verdienen, ist wenig Solidarität zu erwarten – das war schon seinerzeit so, als in der österreichischen Öffentlichkeit Unverständnis für die Arbeitskämpfe von Piloten und Beamten herrschte, weil „die doch eh gut verdienen“.

Gewerkschaftsarbeit ist aber Arbeit für alle Arbeitnehmer, nicht nur für die allerärmsten unter ihnen. Und Gewerkschaftsarbeit, die hauptberuflich ausgeübt wird, gehört auch gut bezahlt. Aber das traut man sich kaum deutlich zu sagen. Daraus ist ja _die geheimnisumwitterte Konstruktion entstanden, nach der man dem Gewerkschaftspräsidenten zwei Einkommen (jeweils zwischen 7500 und 8000 Euro aus Nationalrats- und ÖGB-Tätigkeit) zubilligte. Und ein schönes, preisgünstiges Penthouse dazu.

Und weil die Einzelbeträge eben nicht zu hoch erscheinen sollten, sind dann auch noch betriebliche Pensionszusagen dazugekommen – nicht nur _für den Präsidenten, bei dem sie besonders hoch waren. _Bei Verzetnitsch wird das Arbeitsgericht zu klären haben, ob die Ansprüche zu Recht bestehen.

Bei seinen früheren Mitarbeitern sind die Pensionszusagen derzeit Gegenstand eines gewerkschaftsinternen Tauziehens zwischen ÖGB und Betriebsrat. Dahinter steckt System: Die Idee, Beschäftigten relativ wenig zu zahlen, das aber bis ans Lebensende, ist ja eine in Österreich sehr populäre. Nach diesem Muster sind viele Arbeitsverträge und Betriebsvereinbarungen gestrickt, da wirkt man im Augenblick sehr bescheiden.

Man muss aber, wenn sich die Verhältnisse ändern, um seine Ansprüche bangen. Das betrifft derzeit eben 2652 (ehemalige) ÖGB-Mitarbeiter – in ähnlicher Weise, wie es seinerzeit, in den Achtzigerjahren, die Mitarbeiter aus der verstaatlichten Industrie tun mussten. Ihnen war – ehe man überfallsartig die Betriebspensionen kürzte – jahrelang eingeredet worden, dass sie auf unsinkbaren Schiffen Dienst täten.

Dass sich solche Illusionen plötzlich auflösen können, ist Gewerkschaftern in schmerzlicher Weise bewusst. Daher noch ein Zitat, diesmal aus dem Jahr 1993 und bezogen auf die Zusatzpensionen bei Gerngross: „Wir werden uns gemeinsam gegen den Griff in die Taschen der Pensionisten zur Sanierung eines Unternehmens wehren.“Aber das funktionierte damals, im Umfeld der Konsum-Pleite, auch schon nicht mehr recht. (DER STANDARD, Printausgabe, 31. August 2006)

Schnell eine "Lex Kampusch"?

Alle Welt redet über Natascha Kampusch - und was tut die Politik? Eben. Wenn alle Aufmerksamkeit von einem so politikfernen Kriminalfall gebunden ist, muss sich doch irgendein Henkel finden lassen, doch noch Politik damit zu machen; zumal in Vorwahlzeiten.

Also her mit einer "Lex Kampusch"! Schnell, schnell ein Gesetz entworfen, damit die Öffentlichkeit nicht auf den Gedanken kommt, die Politik stünde teilnahmslos daneben, wenn eine jahrelang gefangen gehaltene junge Frau glücklich freikommt. Auf die Qualität eines solchen Gesetzes kommt es dabei nicht so sehr an, eher auf das Aufgreifen der Empörung: Wenn die Österreicher darüber staunen, dass der Entführer "nur" zehn Jahre Haft bekommen hätte, wird eben die Strafdrohung verschärft. So erscheint die Politik bürgernah, auch wenn die generalpräventive Wirkung gering sein dürfte: Wer ein Verbrechen wie jenes an Natascha plant, orientiert sich nicht am drohenden Strafmaß - im konkreten Fall hat der Täter offenbar die in Österreich abgeschaffte Todesstrafe für angemessen gehalten und sich schließlich selbst gerichtet. Abgeschreckt, das Verbrechen zu begehen, hat ihn diese eigene Einschätzung aber nicht.

In der Sache bringt es also nichts, wahlkampftauglich härtere Strafbestimmungen zu verlangen. Auf eine richtigere Spur führt das Inserat, mit dem die SPÖ (sympathischerweise ohne jede Aufdringlichkeit) zu Spenden für das Opfer aufgerufen hat. Wenn die Politik den Fall zum Anlass für gesetzgeberische Aktivität nehmen will, dann gehört der Blick zur Abwechslung weg von den bösen Tätern und hin zu den armen Opfern gelenkt. Zu Opfern, die häufig auch materiell arm sind, wenn Polizei und Strafjustiz mit den Tätern fertig sind. Sich ihrer anzunehmen, bringt allerdings kaum Stimmen.

13.8.06

Aus dem Vorwort der neuen Ausgabe der Marke ICH

Sie können sich natürlich auch anpassen.
Dann legen Sie dieses Buch am besten gleich weg – andere Karriereratgeber
werden Ihnen einen Weg weisen. Sie können dann selbst feststellen,
ob dieser Weg nach oben führt oder im Kreis, wie es das Wort
„Karriere“ impliziert.
Oder Sie sind anders. Sie passen sich nicht an. Werden markant.
Wir wissen, dass es ungewöhnlich und unbequem ist, was wir mit
diesem Buch vorschlagen. Wer seinen eigenen Weg gehen will, eckt
zwangsläufig an. Trifft dutzendweise Freunde, die ihn daran erinnern,
dass man besser still und unauffällig ist. Da gibt es wohlmeinende
Mitmenschen, die warnen, dass man sich lächerlich machen könnte.
Uns alle umgeben Zweifler, die uns mahnen, dass wir vorsichtiger sein
sollten, lieber den bequemeren Weg wählen sollten, so wie die anderen
auch. Allerdings: Die meisten erfolgreichen Frauen und Männer
haben sich nicht angepasst. Sie haben damit zu leben lernen müssen,
dass man ihre Ambitionen anfangs nicht ernst genommen hat – Bill
Gates ebenso wie Angela Merkel, Wolfgang Schüssel so sehr wie Dieter
Mateschitz, Arnold Schwarzenegger in ähnlicher Weise wie Mutter
Theresa, Christoph Columbus, Jeanne d’Arc oder Bertha von
Suttner. Man hat über die „fixen“ Ideen dieser Menschen den Kopf
geschüttelt, vielleicht auch gelacht. Und hat nicht ernst genommen,
dass sie zu ihren Zielen marschiert sind. Lange wurde verkannt, dass
sie für etwas stehen, an das sie glauben – ob es nun der andere Weg
nach Indien ist oder ein anderes Deutschland, ob es Nächstenliebe ist
oder technologische Innovation. Ihr Erfolg hat ihnen Recht gegeben –
und diese Menschen sind heute so markant und so bekannt wie Weltmarken.