29.7.05

Schwarze Zuversicht trotz manch schlimmer Nachricht

Dieser Tage hatte ich Gelegenheit, einmal ausführlich mit dem oberösterreichischen Landeshauptmann Josef Pühringer zu plaudern - jenem Mann, dem im Herbst 2003 die Tränen gekommen sind, weil die Wähler in seinem Bundesland die ÖVP für die Entwicklungen der Bundespolitik bestraft haben. Zwei Jahre später - und nach mehr als eineinhalb Jahren in einer Koalition mit den oberösterreichischen Grünen - zeigte sich Pühringer mit der Bundespolitik zufrieden. Nachzulesen im Sommergespräch mit dem Standard - in dem er gleichzeitig sagte, dass man eben nicht zu viele Erwartungen wecken darf:
"Ich halte eine Steuerreform in den nächsten Jahren nicht für machbar, weil wir die derzeit laufende erst voll realisieren und vor allem auch verkraften müssen. Dem Land Oberösterreich und den oberösterreichischen Gemeinden sind rund 450 Millionen Euro entgangen. Man soll den Leuten nichts vormachen, was nicht geht. Es ist sehr vieles wünschenswert und ich halte den Ansatz bei der Familie für ganz wichtig, denn die Familien mit Kindern sind noch immer die Lastesel der Gesellschaft. Eine Entlastung von Familien, besonders der Familien mit mehreren Kindern, wäre schon wünschenswert - aber es ist eine Frage der Verkraftbarkeit."
"Das ist ein altes Leiden unserer Partei, dass wir Reformen zu wenig kommunizieren. Bei der Pensionsreform hat man das soziale Netz zukunftsfester geknüpft, aber die Kommunikation ist schwierig. Die Betroffenen sehen das zumindest kurzfristig als Verschlechterung ihrer Position. Es gibt eben Maßnahmen, die dringend notwendig sind. Die Privatisierung der Voest war 1000-prozentig richtig. Sie hat mehr als 500 Arbeitsplätze seit 2003 dazubekommen, sie ist das größte Investprogramm angegangen und hat einen Aktienkurs, an den damals die größten Optimisten nicht geglaubt hätten. Aber die Reform konnte damals von den Sozialdemokraten so missbraucht werden, dass es uns im Landesschnitt drei bis fünf Prozent der Stimmen gekostet hat. Die Menschen haben die Privatisierung nicht als Zukunftssicherung erkannt - ad hoc führt so etwas zu einem parteipolitischen Schaden für die, die hinter der Reform stehen, so richtig diese auch sein mag. "
"Ich bin Europäer von Herzen, weil der wahre Fortschritt darin liegt, dass die Mächtigen an einem Tisch sitzen, statt sich auf den Schlachtfeldern gegenüberzustehen. Aber: Zu regeln, ob ein Bauarbeiter ein T-Shirt trägt, ist keine europäische Aufgabe - ebenso wenig wie Rauchverbote. Wenn Bürger über die EU verdrossen sind, dann deshalb, weil Brüssel so vieles bis ins Detail regelt und auf der anderen Seite zu feig ist, wichtige europäische Regeln zu schaffen. Etwa zusätzliche Sicherheitsauflagen für Atomkraftwerke, weil sich da die Atomstaaten nicht dreinreden lassen. Die Bürger sind verunsichert und verdrossen, dass Brüssel mit einem Wahnsinnstempo seine politische Allmacht ausbaut. Zweitens machen die Bürger beim Tempo der Erweiterung nicht mit. Man muss die Landkarte und die Geografie zur Kenntnis nehmen - die Türkei gehört nur zu fünf bis zehn Prozent zu Europa. Wie will man so ein Riesenland verkraften? Da gibt es noch eine Menge Fragen zu klären."

27.7.05

Das BZÖ im Griff der ÖVP

Was sich derzeit zwischen den beiden Koalitionsparteien abspielt, würde unter normalen Umständen als eineschwere Regierungskrise interpretiert werden. Aus dem Dissens in zwei Kernfragen - der Haltung in der Europa- und der Steuerpolitik - ließe sich ableiten, dass die beiden nicht miteinander können und dass alsbald Neuwahlen anstünden.
Dass kaum jemand mit diesem Szenario rechnet, zeigt die Verschiebungder Skala, was man noch für normale Umstände hält: Es ist irgendwie ganz normal geworden, dass die kleinere Koalitionspartei ganz andere Aussagen macht als die Kanzlerpartei; man registriert das mehr oder weniger aufmerksam und vergisst es rasch wieder - schließlich weiß man, dass auch noch so ernst gemeintes Aufbegehren der orangen Truppe letztlich kaum etwas bewirken kann.
Schließlich hat auch früher das Aufbegehren der FPÖ kaum je etwas bewirkt - und das eine Mal, als die FPÖ vor inzwischen drei Jahren den Konflikt um die Steuerreform auf die Spitze getrieben hat, hat sie Hemd und Hosen dabei verloren. Und die Reform ist keinen Tag früher gekommen, als die ÖVP wollte.
Nein, nein, ganz so ernst, ganz so dringlich sei es ohnehin nicht gemeint, beschied der einst als FPÖ-Chef glücklose Herbert Haupt am Mittwoch: Aber über eine weitere Reform, vielleicht 2007, da sollte man doch bitte schon jetzt verhandeln. In einem Koalitionsausschuss, bitte, bitte.
Aber nein, so was gibt's doch gar nicht, ließ die ÖVP ihren kleinen, lästigen Partner wissen. Der soll arbeiten, soll das Gemeinsame (wenner will: auch den eigenen Anteil an diesem Gemeinsamen) fein preisen und ansonsten Ruhe geben.
Ruhe geben, still arbeiten und das Erreichte loben - daran haben sich die orangen Funktionäre in denletzten Monaten so wenig gewöhnen können wie zu der Zeit, als sie noch blau waren.
Verzweifelt versuchen sie, durch Aufbegehren irgendwie aufzufallen - aber selbst wenn sie sagten "Dann springen wir eben ab", wird man ihnen frühestens glauben, wenn sie die Drohung wahr gemacht haben.
Nicht nur der Bundeskanzler scheint davon auszugehen, dass einsolcher Absprung des kleinen Partners diesen ins Nichts führen würde - weshalb er gar nicht passieren dürfte. Und wenn schon: Dann wird eben neu gemischt, dann wird eine andere Farbe ausgespielt. Schwarz bliebe in des Kanzlers Kalkül jedenfalls Trumpf.

1.7.05

Rechte Energie, linke Energie

Wer wie ich eher dem christlichsozialen, konservativen, von mir aus auch „neoliberalen“ Lager angehört, der hat sich wahrscheinlich mit mir darüber gefreut, dass Deutschland eine Neuwahl ins Haus steht, bei der nach allen Vorhersagen die Sozialdemokratie abgewählt und für die Christdemokratin Angela Merkel der Weg ins Kanzleramt frei gemacht wird. Grundsätzlich erfreulich – und wir können davon ausgehen, dass Frau Merkel etliche konservative Daumen auch in Österreich gedrückt werden.
Aber was soll wirklich daraus werden? So erfreulich die Aussicht darauf ist, eine Frau im deutschen Kanzleramt installiert zu sehen, so viel versprechend die Aussicht auf wirtschaftliche Erholung (von Aufschwung mag ja gar niemand mehr schreiben), gar auf eine konservative Wende sein mag – wenn man bedenkt, dass CDU/CSU und FPD den von der rot-grünen Koalition im Jahr 2001 mit großer Mühe auf den Weg gebrachten Atomausstieg stoppen und womöglich fröhlich zurück zur Kernkraft steuern, kann einem die Vorfreude schon vergehen. Angela Merkel bot den Stromkonzernen für den Fall eines Wahlsieges bereits an, die verbleibenden Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern. Die Union werde es den Firmen überlassen, die strahlenden Meiler solange zu betreiben, wie dies technisch möglich sei – einige davon nicht weiter von Österreich entfernt als die viel öfter ins österreichische Bewusstsein gerufenen „Ost“-AKW. Auch die FDP will deutsche Atomkraftwerke länger laufen lassen, als es rot-grüner Konsens war.
Das ist ja das Elend der Energiepolitik: Vor langer, langer Zeit haben linke Gruppen die Kritik an der Atomenergie entdeckt – zunächst gar nicht so sehr aus Umweltgründen, sondern weil sie die Sicherheitsmaßnahmen rund um die AKWs als mögliche Einschränkungen der Bürgerfreiheit fürchteten. Stichwort: Atomstaat. In den sozialistischen Parteien der siebziger Jahre war das zwar nicht mehrheitsfähig. Erst als das Sonnensymbol und eine gewisse Fröhlichkeit in die Kampagne „Atomkraft – Nein Danke!“ kamen, entstand eine Bewegung, die nicht nur aus linken Sektierern bestand. Daraus sind dann die Grünen Parteien, nicht nur in Deutschland, geworden – konservative Umweltschützer blieben aber weitgehend außen vor. Bei der teilweise höchst gewaltbereiten Anti-Atom-Szene Deutschlands wollten und konnten sie sich nicht angliedern.
Die Folge ist, dass die Haltung zur Energie in Deutschland klar in links und rechts zu unterscheiden ist: Links ist gegen Atomenergie – und in perverser Logik ist rechts daher dafür. Dies auch deshalb, weil es in mehr als drei Jahrzehnten kaum Ansätze gegeben hat, eine konservative Energiepolitik abseits der Atomkraft zu entwickeln.
Dabei wäre das durchaus möglich: Die in Deutschland großzügig ausgebauten Windkraftanlagen sind ja nicht unbedingt „links“. Bäuerlich betriebene Biomasse-Kraftwerke mögen zwar wegen der grundsätzlich konservativen Haltung der bäuerlichen Bevölkerung tendenziell eher „rechts“ sein – aber vor allem sind sie vernünftig. Weil sie eine Alternative zur Atomkraft darstellen. Deutschland, vor allem eine CDU/CSU-geführte deutsche Regierung, könnte in diesem Punkt von Österreich lernen. Könnte – wenn Österreich selber entschlossener und selbstbewusster die Biomasse als Alternative zum Atomstrom ausgebaut hätte.
(Erstveröffentlichung in Ökoenergie 59)