1.7.05

Rechte Energie, linke Energie

Wer wie ich eher dem christlichsozialen, konservativen, von mir aus auch „neoliberalen“ Lager angehört, der hat sich wahrscheinlich mit mir darüber gefreut, dass Deutschland eine Neuwahl ins Haus steht, bei der nach allen Vorhersagen die Sozialdemokratie abgewählt und für die Christdemokratin Angela Merkel der Weg ins Kanzleramt frei gemacht wird. Grundsätzlich erfreulich – und wir können davon ausgehen, dass Frau Merkel etliche konservative Daumen auch in Österreich gedrückt werden.
Aber was soll wirklich daraus werden? So erfreulich die Aussicht darauf ist, eine Frau im deutschen Kanzleramt installiert zu sehen, so viel versprechend die Aussicht auf wirtschaftliche Erholung (von Aufschwung mag ja gar niemand mehr schreiben), gar auf eine konservative Wende sein mag – wenn man bedenkt, dass CDU/CSU und FPD den von der rot-grünen Koalition im Jahr 2001 mit großer Mühe auf den Weg gebrachten Atomausstieg stoppen und womöglich fröhlich zurück zur Kernkraft steuern, kann einem die Vorfreude schon vergehen. Angela Merkel bot den Stromkonzernen für den Fall eines Wahlsieges bereits an, die verbleibenden Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern. Die Union werde es den Firmen überlassen, die strahlenden Meiler solange zu betreiben, wie dies technisch möglich sei – einige davon nicht weiter von Österreich entfernt als die viel öfter ins österreichische Bewusstsein gerufenen „Ost“-AKW. Auch die FDP will deutsche Atomkraftwerke länger laufen lassen, als es rot-grüner Konsens war.
Das ist ja das Elend der Energiepolitik: Vor langer, langer Zeit haben linke Gruppen die Kritik an der Atomenergie entdeckt – zunächst gar nicht so sehr aus Umweltgründen, sondern weil sie die Sicherheitsmaßnahmen rund um die AKWs als mögliche Einschränkungen der Bürgerfreiheit fürchteten. Stichwort: Atomstaat. In den sozialistischen Parteien der siebziger Jahre war das zwar nicht mehrheitsfähig. Erst als das Sonnensymbol und eine gewisse Fröhlichkeit in die Kampagne „Atomkraft – Nein Danke!“ kamen, entstand eine Bewegung, die nicht nur aus linken Sektierern bestand. Daraus sind dann die Grünen Parteien, nicht nur in Deutschland, geworden – konservative Umweltschützer blieben aber weitgehend außen vor. Bei der teilweise höchst gewaltbereiten Anti-Atom-Szene Deutschlands wollten und konnten sie sich nicht angliedern.
Die Folge ist, dass die Haltung zur Energie in Deutschland klar in links und rechts zu unterscheiden ist: Links ist gegen Atomenergie – und in perverser Logik ist rechts daher dafür. Dies auch deshalb, weil es in mehr als drei Jahrzehnten kaum Ansätze gegeben hat, eine konservative Energiepolitik abseits der Atomkraft zu entwickeln.
Dabei wäre das durchaus möglich: Die in Deutschland großzügig ausgebauten Windkraftanlagen sind ja nicht unbedingt „links“. Bäuerlich betriebene Biomasse-Kraftwerke mögen zwar wegen der grundsätzlich konservativen Haltung der bäuerlichen Bevölkerung tendenziell eher „rechts“ sein – aber vor allem sind sie vernünftig. Weil sie eine Alternative zur Atomkraft darstellen. Deutschland, vor allem eine CDU/CSU-geführte deutsche Regierung, könnte in diesem Punkt von Österreich lernen. Könnte – wenn Österreich selber entschlossener und selbstbewusster die Biomasse als Alternative zum Atomstrom ausgebaut hätte.
(Erstveröffentlichung in Ökoenergie 59)