Diskussionskultur auf Parteitagen
"Der Klubobmann der ÖVP denkt natürlich nicht im Entferntesten daran, jene Einladung anzunehmen, die der Wiener FPÖ-Parteisekretär Harald Vilimsky voller Hohn ausgesprochen hat: Die Wiener FPÖ wolle Molterer als Vertreter der ÖVP eine Gastdelegiertenkarte mit einem fünfminütigem Redebeitrag für den FPÖ-Bundesparteitag zukommen lassen - so hätte Molterer die Möglichkeit, der FPÖ einen Wunsch-Obmannkandidaten vorzuschlagen. Die FPÖ-Delegierten würden den Vorschlag Molterers "sicher ernst" nehmen.
Molterer selbst nahm das nicht ernst und verwies auf das Datum des Vorschlags, schließlich war 1. April.
Dabei hat die Einladung durchaus Charme - und sie anzunehmen, hätte noch mehr Charme: Dass Gäste zu Beginn eines Parteitags ihre Vorstellungen formulieren, wäre ein belebendes Ritual für alle Parteitage, nicht nur freiheitliche.
Viel kann ja nicht passieren, wenn das höchste Gremium einer Partei einmal fünf Minuten einer fremden Meinung zuhört - wobei die Höflichkeit dem Gast gebieten würde, sich der Polemik zu enthalten und dem politischen Mitbewerber eine aufrichtige Einschätzung zu übermitteln. Im besten Falle setzt sich ja die politische Klugheit am Ende durch.
Dass das nicht ganz unrealistisch ist, hat sich sogar schon bei der FPÖ erwiesen: Vor zwölf Jahren war der damalige ORF-Generalintendant Gerd Bacher als Ehrengast beim FPÖ-Bundesparteitag in Schwechat und wurde bei der Begrüßung von rabaukenhaften Delegierten ausgebuht. Worauf ein damals noch souverän wirkender Jörg Haider um Ruhe ersuchte und in einem Anflug von Fairness Bacher das Mikrofon anbot. Dieser hielt eine kurze, sachliche Rede und bekam dafür sogar Applaus. Aber das waren andere Zeiten und andere Personen."
Erschienen im Standard, 2. April 2005
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