4.3.05

Studieren unter Druck

Wunderbare Welt der Studiengebühren! Seit die Koalition die Studenten zur Kasse bittet, sind die ja viel, viel fleißiger geworden. Sie studieren angeblich geschwinder - "Tendenz zur Abschlussorientierung" nennt man das im Bildungsministerium. Und sie haben vor lauter Fleiß auch weniger Zeit, über die Zustände an den Unis zu murren, die das Studientempo ziemlich bremsen können - was für das Ministerium wohl ein angenehmer Nebeneffekt ist.
Also: Jubel über den Rekord bei der Zahl der Absolventen! Der Cartellverband (CV) rechnet auch noch vor, dass jetzt die "Lernwilligen" die Unis übernommen hätten - "Bummelstudenten" können sich ein Studium ja gar nicht mehr leisten. Man muss also nur ein wenig finanziellen Druck machen (das Etikett "sozialverträglich" wird vorsichtshalber drangehängt), schon verschwinden jene Studenten aus der Statistik (und möglicherweise überhaupt aus dem akademischen Betrieb), die im Laufe eines Jahres keine einzige Prüfung ablegen.
Schaut man etwas nüchterner hin, ist die Meldung über die Steigerung der Absolventenzahlen um 7,3 Prozent allerdings längst nicht so sensationell. Und schon gar nicht ist sie ein Beleg dafür, dass Studiengebühren den studentischen Alltag verbessern und die akademische Strebsamkeit erhöhen.
Denn die jetzt gestiegenen Absolventenzahlen errechnen sich einfach aus dem Anstieg der Studienanfängerzahlen der späten Neunzigerjahre plus der seither verstrichenen Studienzeit: Im Jahr 1998 gab es um 9,2 Prozent mehr Studienanfänger, im Jahr 1999 noch einmal um 8,8 Prozent mehr - abzüglich einiger Dropouts verlässt diese Generation von Studentinnen und Studenten jetzt die Uni mit einem akademischen Abschluss, den sie wohl auch ohne Studiengebühr erreicht hätte.
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