29.4.05

Demonstrationsrecht für Abtreibungs-Gegner

Nicht, dass mir die militanten Abtreibungsgegner besonders sympathisch wären. Es ist eine ziemlich üble Vorstellung, dass es da einige gibt, die durchaus bereit sind, Ärzte zu ermorden, um ungeborenes Leben zu schützen. In den USA ist so etwas schon vorgekommen, bei uns glücklicherweise noch nicht. Was meine Kollegin Eva Linsinger im Standard berichtet hat, klingt schlimm genug: "Ein junger Mann hat ein Riesenplakat mit einem Fötus-Bild umgehängt und steht direkt vor der Eingangstür zur Klinik. Zwei religiöse Aktivistinnen in Schwesterntracht streifen über den Fleischmarkt, verteilen Embryo-Bilder und reden Frauen an. Frauen, die in die Klinik wollen, versuchen möglichst schnell an ihnen vorbeizukommen..." Wiens Frauenstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) will mit einer Novelle des Landessicherheitsgesetzes gegen religiöse Fanatiker vorgehen, die vor den Abtreibungskliniken am Fleischmarkt und am Mariahilfer Gürtel Frauen anagitieren und ihnen Plastik-Modelle von Föten in die Hand drücken. "Wenn auf Personen, die sich einer medizinischen Einrichtung nähern, psychischer Druck wie durch nachdrückliches Ansprechen oder (versuchte) Übergabe von Gegenständen ausgeübt wird" - dann kann die Polizei künftig einschreiten und FanatikerInnen wegweisen.
Aber ich halte dennoch dagegen: "Es gibt Formen des Protestes, die man gerne als kreativ bezeichnet. Es gibt DemonstrantInnen, denen man gerne beste Absichten und einen guten Charakter attestiert. Es gibt Gruppen, die ganz einfach sympathisch sind. Das sind die, bei denen man selbst gerne mitmachen würde, weil sie für eine gute Sache sind - nämlich für eine Sache, die man eben selbst für gut hält, weil sie das eigene Anliegen vertritt oder der eigenen Stimmungslage nahe kommt.
Und dann gibt es jene Formen des Protestes, die ganz einfach widerlich sind. Die von Leuten - sagen wir überhaupt Menschen zu so jemandem? - gemacht werden, deren finstere Grundhaltung und deren schlimme Hintergedanken uns offensichtlich erscheinen. Und deren Auftreten man am liebsten verbieten würde. Ganz zufällig geht es dann um genau die Ansichten und Inhalte, die man selbst eben gar nicht teilt.
Wer in der E-Wirtschaft tätig ist, wird Aktionen gegen Atommülltransporte und die, die sie durchführen, rasch als Nötigung empfinden - wer auch nur ein bisschen umweltbewusst ist, wird dieselben Aktionen mit enormer Sympathie betrachten. Für die Aufmärsche von Veteranen, Burschenschaftern und AbtreibungsgegnerInnen gilt dasselbe, auch wenn man davon ausgehen kann, dass sie weniger SympathisantInnen haben und einer großen Mehrheit als unduldsam erscheinen.
Es ist für diese Mehrheit schwer zu ertragen, wie und mit welchen Absichten sie auftreten. Aber das Demonstrationsrecht muss für diese abweichenden Gruppen mit ihren abweichenden Meinungen dennoch erhalten bleiben - es ist das Wesen der Demokratie, auch Unduldsame zu erdulden."

21.4.05

Der Eurofighter als Sparversion

In seinem dritten Bericht über die Beschaffung des Eurofighter hat der Rechnungshof (RH) darauf hingewiesen, dass das Projekt zwar um rund 843 Millionen Euro billiger geworden ist - dass diese Einsparungen aber die Einsatzfähigkeit drastisch einschränken und die ganze Luftraumüberwachung ineffizient machen.
Die Oppositionsparteien, die bisher behauptet hatten, der Eurofighter sei zu teuer, machten daraufhin eine argumentative Kehrtwende: SPÖ-Abgeordneter Günther Kräuter zeigte "Respekt vor dem RH-Präsidenten, der Rückgrat bewiesen hat, indem er öffentlich klarstellte, dass eine Luftraumüberwachung in den nächsten 30 Jahren nur eingeschränkt möglich sein wird". Für die SPÖ gewinnt nun die Ausstiegsklausel an Bedeutung.
Der RH hat festgestellt, dass Österreich jederzeit aus dem Vertrag aussteigen könnte, wenn es alle bis dahin angelaufenen Kosten zu zahlen bereit ist.
Mein Kommentar dazu im Standard:
"Wer in einen militärischen Konflikt hineingerät, möchte aus diesem nach Möglichkeit ohne viele Blessuren, ohne Verluste, möglichst mit Gewinnen herauskommen. Dies muss man heutzutage voranschicken, wenn man überhaupt über Militärisches schreibt. Denn in unserem Land hat sich ein Konsens etabliert, demzufolge Krieg eine Sache der (Ur-)Großvätergeneration ist (noch dazu sind die alten Männer auf der "falschen" Seite gestanden). Auch wird hier zu Lande vermutet, dass Österreich, die EU, vielleicht ja jedes gutwillige Land in der UNO nicht in Kriege verwickelt werden kann, weil ja Friedfertigkeit vor einer Verwicklung in Kriege schützt. Neutrale wären nach dieser Auffassung besonders geschützt.
Historische Erfahrungen widersprechen dieser Auffassung. Aktuelle Entwicklungen genauso.
Sprechen wir also über das, was die SPÖ zutreffend "Kriegsgerät" nennt: Der Eurofighter ist, wie auch vom Rechnungshof bestätigt, ein besonders gutes Kriegsgerät - das beste auf dem Markt und das relativ bestgeeignete für Österreich.
Nur sind wir in Österreich nicht darauf eingestellt, uns auf allfällige Kriegsführung vorzubereiten. Österreichs Selbstverständnis ist - wie eine Ausstellung im Heeresgeschichtlichen Museum in den nächsten Wochen beweisen soll - darauf ausgerichtet, dass militärische Konflikte entweder gar nicht oder wenn schon, dann ganz, ganz anderswo stattfinden. Und Österreich deshalb auch keine Vorkehrungen treffen müsste.
Die europäische Entwicklung seit 1989 hat (trotz des sehr realen kriegerischen Konflikts an der slowenischen Grenze) diese Haltung eher bestärkt. Mag sein, dass jedes Jahr zwanzig nicht identifizierte Militärflugzeuge zu späten Nachtstunden über das neutrale Österreich fliegen - wir machen die Ohren und Augen zu, schlafen fest und berufen uns darauf, dass die Neutralität uns ohnehin vor aller Unbill schützt.
Hauptsache, wir haben bei Tag das Maul weit offen, wenn wir unseren Neutralitätsstatus propagieren.
Als in den Achtzigerjahren festgelegt wurde, dass das neutrale Österreich seinen Luftraum bescheiden, aber doch sichern müsste, hat man sich mit dem Draken auf eine Billiglösung für eine beschränkte Zeit (1984 waren explizit zehn Jahre eingeplant) entschieden. Es bedurfte eines Regierungswechsels, damit eine Regierung ohne SPÖ-Beteiligung überhaupt neue Abfangjäger bestellt hat - und zur Überraschung der SPÖ waren es keine Flugzeuge aus dem befreundeten Schweden, sondern die viel besser ausgestatteten EU(ro)-Fighter aus dem ersten EU-weiten Rüstungsprojekt. Die US-Verteidigungs- und Informationsindustrie hat das Projekt seit jeher madig zu machen versucht - mit beachtlichem Erfolg in den Boulevardmedien.
Doch entgegen aller Desinformation fliegt der Eurofighter auch unter arktischen Bedingungen, erweist sich in allen technischen Vergleichen als mehr als ebenbürtig und ist inzwischen der europäische Rüstungsstandard.
Und was macht Österreich als erster Export-Kunde? Wir haben die Leistungsanforderungen an das beste Kampfflugzeug der Welt reduziert. Warum? Weil bei uns irgendeinmal ein Hochwasser war. Schnelle Wissensfragen zur historischen Einschätzung: Wann war das überhaupt? Was hat es für das Budget bewirkt? Welche Änderung der militärstrategischen Lage hat jenes Hochwasser bewirkt?
Die vom STANDARD aufgedeckte und inzwischen vom Rechnungshof bestätigte Faktenlage zeigt: Österreich verzichtet bei den besten Kampfflugzeugen der Welt auf wichtige Komponenten wie Freund-Feind-Kennung oder Nachtflugtauglichkeit, um relativ geringe Beträge einzusparen. Ein bisschen Luftraumüberwachung will man machen, aber an Ernstfälle will niemand denken.
So kauft Österreich Kampfflugzeuge ohne Kampfauftrag. Und tut so, als ob es für die EU niemals Kampfaufträge geben könnte, weil ja jeglicher Krieg undenkbar geworden ist."

2.4.05

Diskussionskultur auf Parteitagen

Im Standard habe ich die Idee des Wiener FPÖ-Sekretärs Vilimsky aufgegriffen, der den ÖVP-Klubchef Willi Molterer zum Bundesparteitag einladen wollte - weil Molterer mit seinen Kommentaren von außen in die ohnehin verfahrene Situation der Freiheitlichen eingegriffen hat, was den Freiheitlichen offenbar nicht passt.
"Der Klubobmann der ÖVP denkt natürlich nicht im Entferntesten daran, jene Einladung anzunehmen, die der Wiener FPÖ-Parteisekretär Harald Vilimsky voller Hohn ausgesprochen hat: Die Wiener FPÖ wolle Molterer als Vertreter der ÖVP eine Gastdelegiertenkarte mit einem fünfminütigem Redebeitrag für den FPÖ-Bundesparteitag zukommen lassen - so hätte Molterer die Möglichkeit, der FPÖ einen Wunsch-Obmannkandidaten vorzuschlagen. Die FPÖ-Delegierten würden den Vorschlag Molterers "sicher ernst" nehmen.
Molterer selbst nahm das nicht ernst und verwies auf das Datum des Vorschlags, schließlich war 1. April.
Dabei hat die Einladung durchaus Charme - und sie anzunehmen, hätte noch mehr Charme: Dass Gäste zu Beginn eines Parteitags ihre Vorstellungen formulieren, wäre ein belebendes Ritual für alle Parteitage, nicht nur freiheitliche.
Viel kann ja nicht passieren, wenn das höchste Gremium einer Partei einmal fünf Minuten einer fremden Meinung zuhört - wobei die Höflichkeit dem Gast gebieten würde, sich der Polemik zu enthalten und dem politischen Mitbewerber eine aufrichtige Einschätzung zu übermitteln. Im besten Falle setzt sich ja die politische Klugheit am Ende durch.
Dass das nicht ganz unrealistisch ist, hat sich sogar schon bei der FPÖ erwiesen: Vor zwölf Jahren war der damalige ORF-Generalintendant Gerd Bacher als Ehrengast beim FPÖ-Bundesparteitag in Schwechat und wurde bei der Begrüßung von rabaukenhaften Delegierten ausgebuht. Worauf ein damals noch souverän wirkender Jörg Haider um Ruhe ersuchte und in einem Anflug von Fairness Bacher das Mikrofon anbot. Dieser hielt eine kurze, sachliche Rede und bekam dafür sogar Applaus. Aber das waren andere Zeiten und andere Personen."

Erschienen im Standard, 2. April 2005