Dass eine Krise eine Chance ist - wie oft hat er das gehört! Und tatsächlich stecke in einer Wirtschaftskrise die Möglichkeit einer Systemveränderung, "aber sie verkleinert auch den Zeithorizont. Wenn ich dich unter Wasser drücke, dann denkst du nicht an das kommende Jahr, dann denkst du nur, wie du wieder über Wasser kommst", sagt der amerikanische Professor Dennis L. Meadows, der 1972 mit seinem Bericht an den Club of Rome (The Limits to Growth) die Ökonomenzunft aufgerüttelt und der Umweltbewegung das wissenschaftliche Rüstzeug gegeben hat.
Vier Jahrzehnte später spricht in einem Standard-Interview tiefer Pessimismus aus dem Wissenschafter vom Massachusetts Institute of Technology: "Pessimismus? Vielleicht eher: Realismus. 1972 habe ich über die Welt nachgedacht, aber die war an meiner Meinung nicht sonderlich interessiert. Heute denke ich eher an einzelne Länder oder Regionen."
Widerstandsfähig statt nachhaltig
Auf Einladung von Umweltminister Nikolaus Berlakovich denkt Meadows unter anderem in Wien über Nachhaltigkeit nach - aber dem Minister hat er zu dessen Überraschung gesagt, dass Nachhaltigkeit - Sustainability - nicht ausreichend ist: "Was wir brauchen, ist nicht Sustainability, sondern Resilience, also eine elastische Widerstandsfähigkeit gegen katastrophale Entwicklungen. So wie sich ein Pflanzenbestand gegen einen natürlichen Feind wie eine Krankheit zu wehren bemüht."
1962, als er das erste Mal in Österreich gewesen ist, da habe in den ländlichen Regionen noch kaum jemand ein Auto gehabt, allenfalls hatte man ein Motorrad. Damals wäre noch Zeit zur Umkehr gewesen, auch zehn Jahre später noch, als sein Bericht an den Club of Rome eindringlich auf die Endlichkeit der Rohstoffreserven hingewiesen hat. Da hätte man noch auf ein nachhaltiges Wirtschaftssystem umschwenken können.
"Peak Oil" war bereits 2006
Seither hat sich die Weltbevölkerung mehr als verdoppelt - und bei einigen Rohstoffquellen ist schon spürbar, dass sie versiegen. "Peak Oil", das Maximum an konventioneller Ölförderung, ist nach den Berechnungen von Meadows bereits 2006 erreicht worden - neue Lagerstätten sind nur mehr sehr aufwändig zu erschließen. Wobei Meadows den österreichischen Umweltminister darauf hingewiesen hat, dass er nicht daran glaubt, dass der Ölpreis über die 200-Dollar-Marke und weiter ins Unermessliche steigen wird: "Ich sehe eher ein Szenario wie in Kriegszeiten - da regelt nicht der Markt den Preis, sondern der Staat die Verfügbarkeit. Man wird also Erdöl rationieren, da kann man dann nicht mehr einfach mit dem Auto spazieren fahren."
Ähnlich werde es mit dem Erdgas passieren: Wenn dieses in Russland knapp werde, dann würde es nicht bloß teuer - es würde für Westeuropa wahrscheinlich gar nicht mehr verfügbar sein. Ähnlich werde es wohl mit US-Energieimporten aus Kanada laufen: "Die behalten das einfach für sich, weil sie es selber brauchen. Es muss klar sein: Man kann das nicht alles substituieren. Wenn wir in den 1970er-Jahren gefordert haben, die Entwicklung des Ressourcenverbrauchs zu bremsen, so müssen wir heute davon ausgehen, dass wir ihn drastisch zurückfahren müssen. Und das heißt nach heutigen Begriffen: Der Lebensstandard wird drastisch sinken müssen."
Dass Österreich zumindest anstrebt, Energieautarkie zu erreichen, stellt für Meadows ein hehres Ziel dar, auch wenn er im Detail - etwa bei der Herstellung von Biosprit - Zweifel äußert. Aber im Wärmebereich sei Biomasse am besten geeignet, daheim in New Hampshire heize er auch mit Holz.
Die Kirche als Energiepartner
Stichwort Holzwirtschaft: Da meint er, dass es in Österreich einen potenten Partner für den Aufbau einer langfristig erhaltbaren Energieversorgung gebe: "Nehmen Sie die katholische Kirche. Klöster haben eine jahrhundertealte Erfahrung damit, relativ autark zu wirtschaften, sie haben forstwirtschaftliche Erfahrung und denken in viel längeren Zeiträumen als Ökonomen und Politiker."
Der Politik traut Meadows ohnehin nicht sehr, auch wenn er das Energiekonzept von Berlakovich lobt: "Aber was sagt denn der Wirtschaftsminister? Der hat doch üblicherweise andere Sorgen, der hat ja geradezu die Aufgabe, kurzfristige Erfolge zu erzielen, auch wenn diese langfristig das System belasten."
Und noch eine Portion Pessimismus zum Abschied: "Sie sehen doch, was die Krise bewirkt hat: Das Interesse am Klimawandel ist fast völlig erloschen." (Conrad Seidl, DER STANDARD, Printausgabe, 8.9.2011)