17.8.07

Die SPÖ macht der ÖVP den "Ländlichen Raum" streitig

Der "ländliche Raum" fängt gleich hinter der Stadtgrenze an. In Gerasdorf zum Beispiel: Bernd Vögerle, der Bürgermeister dieser kleinen Stadt mit 80 Prozent Ackerfläche, die unmittelbar an Wien grenzt, ist verstimmt darüber, dass die Förderung des der ländlichen Regionen immer auf Agrarfragen reduziert und vom Bauernbund für dessen Klientel beansprucht wird.

Der Sozialdemokrat meldete sich am Donnerstag sogar aus dem Urlaub auf Malta zu Wort, um Landwirtschaftsminister Josef Pröll vorzuwerfen, den ländlichen Raum nur aus Sonntagsreden zu kennen, die Landwirte bei Förderungen zu bevorzugen und die Gemeinden finanziell auszuhungern.

Tatsache ist, dass große und kleine Gemeinden um Fördergelder aus dem Finanzausgleich ringen - und gleichzeitig die Bauern um ihre Fördergelder aus Brüssel bangen. Denn das als "Grüner Pakt" vermarktete Programm "Ländliche Entwicklung 2007 bis 2013" wurde dem Landwirtschaftsministerium im Frühjahr von der EU-Kommission mit zahlreichen Nachbesserungswünschen zurückgeschickt.

Die EU hat nämlich (nicht zuletzt auf österreichischen Wunsch) ihre Landwirtschaftsförderung auf eine Förderung des gesamten ländlichen Raumes umgestellt. Sie verlangt von ihren Mitgliedsstaaten, dass diese nationale Programme auflegen, die nicht zuletzt die Umweltsituation in den stadtfernen Regionen verbessern. Nur für genehmigte Programme gibt es auch die Co-Finanzierung aus Brüssel - 3,9 Milliarden Euro für fünf Jahre, die aus den Budgets des Bundes und der Länder verdoppelt werden müssen.

Unter den Bauern ist derzeit aber die Verunsicherung groß: Sie haben im Frühjahr ihre Felder gemäß dem "Grünen Pakt" bewirtschaftet und mit Fördergeldern gerechnet, deren Auszahlung bisher noch nicht gesichert ist.

Pröll ist zuversichtlich, dass diese Gelder im September in Brüssel freigegeben werden: "Wir befinden uns damit unter den ersten in Europa, die ihr Programm bewilligt bekommen. Uns aus diesem Zeitplan einen Vorwurf zu machen, offenbart nichts anderes als den erbärmlichen Versuch negativer Kampagnisierung. Ich mahne von der SPÖ als Regierungspartner ein Mindestmaß an Anstand und Seriosität ein!"

Gerichtet ist Prölls Vorwurf gegen Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter (SPÖ), dem er "beschämende Ahnungslosigkeit" vorwirft, weil dieser in einer Pressekonferenz am Donnerstag den "Grünen Pakt" mit dem "Grünen Bericht" (das ist der offizielle Zustandsbericht zur Landwirtschaft) verwechselt hatte.

Matznetter hat Pröll vorgeworfen, die Gelder in Brüssel nicht abzuholen. Und er kritisiert, dass die von Pröll eingereichten Förderungsprogramme wieder vor allem der Landwirtschaft zugute kommen. Für den gesamten - neuen - Schwerpunkt "Lebensqualität im ländlichen Raum und Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft" aber veranschlage Pröll nur rund 250 Millionen Euro an EU-Geldern. Davon wiederum seien nur knapp 190 Millionen Euro für "Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität im ländlichen Raum" vorgesehen, rechnet Matznetter. Sogar für die Dorferneuerung - diese ist seit 25 Jahren ein Anliegen der ÖVP - seien bloß 1,5 Millionen Euro aus EU-Mitteln vorgesehen, sagt Matznetter, der der ÖVP die politische Kompetenz für den ländlichen Raum streitig zu machen versucht.

Dabei ist Matznetter seinerseits in einer Verteidigungsposition. Denn als Finanzstaatssekretär ist er unmittelbar von dem Geplänkel rund um die Finanzausgleichsverhandlungen betroffen.

Hier hat der ÖVP-Bauernbund am Donnerstag eine Front der (überwiegend "schwarz" geführten) Kleingemeinden gegen die meist "roten" Großgemeinden eröffnet.

Der Bauernbund-Präsident Fritz Grillitsch forderte 130 zusätzliche Millionen sowie einen mit 100 Millionen Euro dotierten Innovationsfonds für kleine Gemeinden. Er beklagt, dass die Umverteilungswirkung des Finanzausgleichs den Bewohnern von Ballungsräumen pro Kopf fast zweieinhalb mal soviel bringt wie Bewohnern einer Gemeinde unter 10.000 Einwohner die pro Kopf nicht 2,41 Euro, sondern "nur einen Euro wert" seien.

Grillitsch ist dafür, den Großen zu nehmen und den Kleinen zu geben.

Aber das wollen nicht alle akzeptieren: Der Gerasdorfer Bürgermeister Vögerle brüstet sich im Standard-Gespräch damit, in seiner Gemeinde 50 Millionen Euro für den Kanalbau ausgegeben zu haben, "das muss man erst einmal finanzieren". Und er erzählt auch, dass die Infrastruktur in seiner Gemeinde erhalten und ausgebaut werden konnte: "Dafür kommen sie jetzt sogar aus Wien in unser Postamt und bringen die Packerln, ökologisch ein Irrsinn!"

Dass weitere Postamtsschließungen geplant sind, hält Vögerle für unsinnig: "Da soll es statt Postämtern 'Partnerschaften geben, wo man doch sieht, dass das nie funktionieren kann." Er meint, dass man landesweit in die Infrastruktur - Stichwort: Nebenbahnen - investieren müsse und dass sich kleine und große Gemeinden nicht gegeneinander ausspielen lassen sollten: "Die Kleinen haben zu wenig Geld. Und die Großen haben auch zu wenig."

Daher hält es der Sozialdemokrat Vögerle für besonders schlimm, dass Prölls agrarisch geprägter "Grüner Pakt" bloß "ein reines Pflichtprogramm und nicht ein Deka mehr" darstelle.