22.4.07

100 Tage Streit - na und?

Zum kleinen Jubiläum von 100 Tagen Regierungspartnerschaft hatten die Spitzen von SPÖ und ÖVP in der Vorwoche noch betont, dass sie gut zusammenarbeiten. Für Österreich natürlich, nicht unbedingt füreinander.

Das hat ja auch keiner von ihnen verlangt. Und da darf es einen auch nicht wundern, dass unmittelbar darauf am Wochenende, wo Bundeskanzler und Vizekanzler bei Parteitagen vor die jeweils eigene Gefolgschaft treten mussten, viel weniger harmonische Töne angeschlagen wurden.

Das hat nur zum Teil damit zu tun, dass die sieben Jahre ohne große Koalition noch nachwirken und alte Einschätzungen noch nachwirken: In der ÖVP ist auf allen Ebenen das Bild einer zum redlichen Wirtschaften unfähigen SPÖ eingebrannt - wobei die Beinahe-Pleiten von ÖGB und Bawag nur als Beleg dafür genommen werden, dass "die Roten nicht wirtschaften können". Und dass man sie daher auch jetzt als Kanzlerpartei in entscheidenden Fragen der wirtschaftspolitischen Strategie eben nicht zum Zug kommen lassen dürfe.

Umgekehrt ist das Misstrauen in der SPÖ gegenüber der ÖVP, die in den letzten Jahren ganz nach ihrem Geschmack (und unter Aufbrechung gewachsener, die Gewerkschaften begünstigender Strukturen) modernisiert hat, nicht einfach dadurch wegzubringen, dass man sich mit dieser Partei in eine Koalition begeben hat. Wenn Alfred Gusenbauer sehr konsequent seine Rolle als Saubermann pflegt, dann meint er nicht nur das, was er offen anspricht - die realen oder vermeintlichen Skandale der vorherigen Regierung.

Der Bundeskanzler erhebt mit seinem Anspruch, die SPÖ müsse an der Spitze der Moralpyramide stehen, implizit den Vorwurf, dass nicht nur die Methoden, sondern vor allem die Richtung der früheren Regierung und des nunmehrigen Regierungspartners moralisch nicht gerechtfertigt gewesen wären, weil sie zu Ungerechtigkeiten und Schieflagen in der Verteilungspolitik geführt hätten. Und das ist aus sozialdemokratischer Sicht noch viel weniger verzeihlich - aber medial weniger leicht skandalisierbar - als der Eurofighter-Kauf.

Der ist und bleibt wohl noch auf einige Zeit ein symbolbeladenes Streitthema, in dem es unversöhnliche Positionen gibt: Die Befürworter in der ÖVP sehen darin das beste Gerät zu einem fairen Preis, bei dessen Beschaffung es allenfalls ein paar die Optik störende Begleitumstände gegeben habe.

Die Gegner in der größeren Regierungspartei sehen ihre Kompromissbereitschaft ohnehin als überdehnt an: War die SPÖ noch vor einem Jahr weit gehend fundamental gegen jegliche Abfangjäger, so hat sie jetzt deren prinzipielle Notwendigkeit anerkannt - aber weniger leistungsfähige kämen ihrer pazifistischen Grundeinstellung eher entgegen; dies ganz unabhängig davon, ob nun der Nachweis gelingt, dass der Eurofighter-Kauf aufgrund von rechtswidrigen Umständen zustande gekommen ist.

In diesem Punkt wird der Ausgang des Koalitionsstreits wohl davon abhängen, welche rechtlichen und wirtschaftlichen Optionen die SPÖ noch entdeckt. Auf Hilfe aus der ÖVP wartet sie ohnehin vergeblich - diese will keinen Millimeter nachgeben, nicht nur aus Sorge davor, dass ein Nachgeben als Schuldeingeständnis gesehen würde. Vielmehr muss sie befürchten, dass dann die gesamte Landesverteidigung öffentlich in Misskredit käme.

Dass dieser eine Streit derzeit dominiert, sollte die Partner aber nicht davon abhalten, auch in anderen Politikfeldern kräftig zu streiten. Aber bitte wenn möglich mit Stil - es weiß ja ohnehin jeder, dass in der Schul- und Sozialpolitik, in der Steuer- und Umweltpolitik zum Teil gravierende und über die Kompromisse des Koalitionsabkommens hinausgehende Meinungsverschiedenheiten bestehen. Sie unter den Tisch zu kehren führt zu jener Erstarrung, die großen Koalitionen immer als besonders negativ angelastet werden.

Da ist es besser, es wird kräftig gestritten, dann entschieden und - endlich - regiert. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.4.2007)