15. Oktober? Oder 8. Oktober? Oder vielleicht doch erst im November? Nein, da wäre ja noch der 1. Oktober ...
Das Spannendste an den Nationalratswahlen, zu denen die Österreicher im Herbst 2006, bei Ablauf der vier Jahre dauernden Gesetzgebungsperiode, aufgerufen sein werden, scheint derzeit ihr Termin zu sein.
Wer gewinnt und wer verliert, gilt dagegen als ausgemacht:
Die SPÖ wird die Probleme, die ihr aus der Verflechtung der Gewerkschaften mit der an kriminell leichtsinnigen Spekulationen beinahe pleite gegangenen Gewerkschaftsbank erwachsen sind, bis weit in den Herbst nicht verdaut haben.
Alle erwarten daher, dass die konservative ÖVP wieder ihren Kanzler Wolfgang Schüssel an die Front schicken wird und sich den Wahlsieg einfach abholen kann.
Für ein kleinwenig Aufregung könnten in diesem Szenario allenfalls der Wettlauf um die rigideste Ausländerpolitik und das Abschneiden der Kleinparteien sorgen: Tritt der parteifreie Europaparlamentarier Hans-Peter Martin an - und wenn ja, wie ernst wird er von den Wählern genommen? Sein für viele überraschend gutes Abschneiden bei der EU-Wahl lässt sich möglicherweise ähnlich schlecht auf Nationalratswahlen übertragen wie seinerzeit jener Erfolg, den der Baumeister Richard Lugner bei der Präsidentschaftswahl oder jener, den Rudolf Fussi mit seinem Volksbegehren gegen Abfangjäger hatte. Beide sind bei den folgenden Nationalratswahlen ohne jede Bedeutung geblieben.
Und: Schafft es das BZÖ? Diese kleine Regierungspartei, die sich im Vorjahr von der Freiheitlichen Partei (FPÖ) abgespaltet hat, schrammt in Umfragen am Rand der Bedeutungslosigkeit (und der Mandatsgrenze) hin. Ob der Landeshauptmann und ehemalige Parteichef Jörg Haider in Kärnten zugkräftig genug ist, dass das BZÖ dort ein Grundmandat erringt, ist ebenso fraglich wie der Erfolg von Peter Westenthaler. Dieser ist vor vier Jahren im Streit mit Jörg Haider aus der Politik (damals als freiheitlicher Klubobmann) ausgeschieden und wurde ausgerechnet von Haider wieder als Spitzenkandidat des BZÖ zurückgeholt.
Scheitern Haider und Westenthaler mit ihrem BZÖ, muss sich die ÖVP im Herbst um einen anderen Koalitionspartner umschauen.
Wenn ÖVP-Spitzenpolitiker derzeit beteuern, dass dies ihre geringste Sorge sei, dürfte das durchaus stimmen.
In Wirklichkeit müssen sie sich nämlich sehr viel mehr Sorgen darum machen, dass die hohen in sie gesetzten Erwartungen auch nur halbwegs erfüllt werden können. Denn erstens ist die SPÖ nicht so schwach wie allgemein angenommen: Der Kriminalfall rund um die Gewerkschaftsbank Bawag ist für gestandene Sozialdemokraten so wenig ein Grund, ihrer Partei den Rücken zu
kehren wie es vor einem Vierteljahrhundert der Kriminalfall AKH war.
Zweitens ist die Annahme kindisch, dass die ÖVP wegen der Schwäche der SPÖ stark sein könnte - Politik funktioniert eben nicht nach dem von neidigen Schulkindern erprobten Modell, dass man bessere Noten bekommt, wenn die Fehler der anderen nur stark genug wahrgenommen werden. Petzen und Patzen gibt es natürlich auch in der Politik, aber die Wirkung bei den Wählern ist ähnlich beschränkt wie jene bei Lehrern, die mit neidigen Schülern in der Regel gut zurechtkommen.
Die besseren Noten bekommt man für die eigene wahrgenommene Leistung - verbunden mit einem Ansporn für die nächste Klasse.
Aber was heißt das für Schüssel & Co? Welche Leistungen sind es, für die sie sich gute Noten erwarten?
Dass sie das Pensionssystem reformiert haben, hat zwar enormen Arbeitsaufwand bedeutet - ein positives Ergebnis ist bisher aber nicht spürbar, negative Auswirkungen für die Betroffenen werden jedoch sehr wohl bemerkt. Ähnlich die Steuerreform, bei der selbst der Finanzminister zugeben muss, dass sich das Gefühl der Entlastung bei den Bürgern einfach nicht eingestellt hat. Oder der EU-Vorsitz, der zweifellos ein nettes Spektakel abgegeben hat, dessen innenpolitischer Wert aber zu vergessen ist. Hier gibt es also nicht so viele gute Noten abzuholen - die wären aber wichtig, um die Funktionäre in die Stimmung zu versetzen, wirklich für ihre Partei zu laufen.
Was es bedeutet, wenn die Funktionäre nur halb bei der Sache sind, hat die ÖVP im verlorenen Präsidentschaftswahlkampf 2004 erlebt - viel dankbarer gegenüber der Partei ist die Stimmung der Basis derzeit auch nicht.
Nun ist Dankbarkeit keine politische Kategorie, die über die Funktionärskreise hinausreicht. Den übrigen Wählern müsste die ÖVP ein programmatisches Angebot machen: Ein nächster Schritt der Steuerreform? Mehr für die Familien? Mehr soziales Gewissen? Keine weitere Pensionreform?
Klingt alles recht vertraut, das alles war schon 2002 im Wahlkampf ein Thema - und ist vor allem im Bereich der (entgegen den Wahlversprechen doch Durchgezogenen) Pensionsreform nicht realisiert worden.
Also muss ein neues Wahlprogramm her. Eines, das Zukunftperspektiven zeigt, ohne gleich die Frage aufzuwerfen, warum das alles nicht schon in den letzten Jahren passiert ist.
Sonst bleibt als Wahlmotto für die ÖVP nur der Zuruf "Weiter so!"
Aber der sichert wohl keine Mehrheit.
(Manuskript für die Deutsche Rundschau)