31.3.06

Gewerkschafts-Bewegung

Der Brief, den der Gewerkschaftspräsident in der Nacht auf Freitag an alle Mitarbeiter des ÖGB verschickte, dürfte die Stimmung an der Basis ganz gut treffen: "Der ÖGB Bundesvorstand hat gestern Nacht in einer außerordentlichen Sitzung mit zwei Gegenstimmen und drei Enthaltungen beschlossen, sich aus der BAWAG P.S.K. zurück zu ziehen. Wir hätten uns niemals gedacht, dass wir diesen Beschluss eines Tages fassen müssen. Angesichts der politischen Diskussionen im Vorfeld des Wahlkampfes war es aber unser Ziel, die BAWAG P.S.K. schnell aus den Schlagzeilen zu bringen. Es ist uns bewusst, dass ihr in dieser schwierigen Zeit unter besonders belastenden Umständen arbeiten musstet und dass ihr auch noch in den kommenden Stunden und Tagen mit vielen Anfragen und Sorgen von Mitgliedern, Betriebsräten oder Bekannten konfrontiert werdet. Wir bitten euch daher, mit uns gemeinsam diese schwierige Zeit durchzustehen."
Der Durchhalteappell belegt aber auch eindrucksvoll, wie schnell sich der stets schwerfällig wirkende Gewerkschaftsbund bewegen kann. Das beginnt beim Absender: Rudolf Hundstorfer war noch zu Wochenbeginn bestenfalls seiner eigenen Klientel bekannt - nun ist er geschäftsführender Präsident in Österreichs größtem Verein. Und der Elan, mit dem er diese Geschäfte führt, deutet an, wie gut er sich vorstellen kann, dass er auch gewählt würde.
Nein, geht nicht, sagen erfahrene Gewerkschafts-Auguren, der kommt doch aus einer Beamtengewerkschaft und es ist undenkbar, dass die den Präsidenten stellen. Andererseits erschien bisher auch undenkbar, dass die Gewerkschaft die Bawag hergibt - das konnten am Freitag auch viele Landeschefs des ÖGB noch nicht fassen. Die Gewerkschaftsbewegung selbst ist in Bewegung gekommen und plötzlich scheinen die bisherigen Blockaden, die Rücksichten auf diese oder jene Berufsgruppe und ihre jeweiligen Vertreter, unwichtig geworden zu sein.
Der Druck löst den Reformstau, jetzt geht es ans Reorganisieren. Und dann? Dann müssen die Gewerkschaften neue Glaubwürdigkeit gewinnen - und das geht nur in ihrer ureigensten Aufgabe als Kampforganisation der Arbeitnehmer.