Auch im Burgenland ein Zug nach Links
Auf den ersten Blick sieht im Burgenland alles gleich aus wie in der Steiermark: Die SPÖ erreicht ihre Wahlziele, die ÖVP verfehlt sie. Tatsächlich: Landeshauptmann Niessl hat sich zum Landeskaiser entwickelt, er hat die Strahlkraft desjenigen, der ganz alleine das Land zu repräsentieren imstande ist. So wie ein Erwin Pröll oder ein Michael Häupl, bei denen oft nicht einmal im eigenen Bundesland bekannt ist, wer eigentlich die Herausforderer sind. Wie sie heißen, oder gar: was diese Herausforderer anders machen wollen als der Landeshauptmann.
Waltraud Klasnic hatte dieses Stimmungsmonopol verloren. Die steirische SPÖ hatte in der Vorwoche bereits eine ähnlich gute Stimmung und bundespolitischen Rückenwind auf ihrer Seite.
Wobei im Burgenland die Bundespolitik bei konkreten Wahlentscheidungen womöglich eine geringere Rolle gespielt haben dürfte als in der Steiermark. Dies aber kann auch die Kanzlerpartei ÖVP nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Grundströmung derzeit eher nach links geht.
Und dies haben besonders die wechselbereiten Protestwähler, die in den vergangenen 20 Jahren so zahlreich zu den Freiheitlichen eines Jörg Haider geströmt waren, intuitiv erfasst. Protest ist heute deklariert links. Das ist eine Botschaft, die auch die Grünen erst einmal verdauen müssen. Jahrelang hatte nämlich gegolten, dass ein grüner Erfolg nur dann denkbar ist, wenn die Grünen eben nicht als deklarierte Linkspartei auftreten. Dazu kommt, dass den Grünen in allen Umfragen vor allem Kompetenz im Umweltschutz zugebilligt wird. Mit diesem Thema sind sie auch im Burgenland und in der Steiermark angetreten - ohne viel bewegen zu können. Jetzt zeigt sich, dass für die Grünen eine Öffnung zu anderen Themen - Menschenrechte, soziale Ungleichheit, Frauenpolitik - unbedingt notwendig ist, um den Ansprüchen auf das soziale Gefühl, das die SPÖ eines Michael Häupl, aber auch eines Alfred Gusenbauer vermittelt, Paroli bieten zu können.
Und die ÖVP? Sie hat im Burgenland ihr Wahlziel ganz eindeutig verfehlt. Hier ist sie eine Partei, die - wie in ÖVP-regierten Bundesländern die SPÖ - als konstruktive Kraft wohl gelitten ist, im Poker um die Macht aber nur eine untergeordnete Rolle spielen kann. Bundespolitisch bedeutsam ist allenfalls, dass die ÖVP (anders als in der Steiermark) im Burgenland immerhin einen kleinen Zugewinn an Stimmen und Prozenten erreichen konnte.
In der Wiener ÖVP-Zentrale wird natürlich versucht, dies als eine Art Bestätigung der Politik von Wolfgang Schüssel und als einen wesentlichen Motivationsschub für die anstehende Wien-Wahl und den vom Kanzler bereits eröffneten Nationalratswahlkampf zu interpretieren. Dabei wird geflissentlich übersehen, dass das bürgerliche Lager insgesamt schon wieder geschwächt worden ist und die ÖVP bürgerliche Stimmen nicht so leicht zurückholen kann wie 2002.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.10.2005)
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