Eine Chance ganz links
Keine Partei kann sich leisten, soziale Anliegen in ihrer Programmatik ganz zu ignorieren. Aber wenn es um die Interessen von einfachen Arbeitern, von Arbeitslosen oder von Pensionisten geht, dann gilt die SPÖ üblicherweise als die erste Adresse. Sie hat über Jahrzehnte quasi das Markenmonopol für sozialen Fortschritt aufgebaut - viele Reformen der Kreisky-Ära danken ihr die treuen Wähler heute noch.
Dass die KPÖ noch viel weiter gehende Forderungen nach Umverteilung erhoben hat, ist bisher ohne Bedeutung geblieben. An der KPÖ wollte niemand wirklich anstreifen - mögen ihre sozialpolitischen Vorschläge auch noch so interessant gewesen sein. Für die meisten Österreicher sind die Kommunisten eben immer noch dieselbe Partei, die Stalins Massenmorde, Ulbrichts Bau der Berliner Mauer und Breschnews Invasion des Warschauer Paktes in der CSSR gutgeheißen hat.
Ernest Kaltenegger hat diese Vorbehalte gegen seine Partei nicht mit einem Schlag ausräumen können. Vielmehr hat er sie bei einzelnen Wählern, zunächst in vielen persönlichen Beratungsgesprächen zur Wohnsituation im damals von der SPÖ geführten Graz, nach und nach in den Hintergrund gedrängt. Kal^tenegger hat damit gezeigt: Es gibt einen Bedarf für eine konkrete linke Politik.
Dass dieser politische Markt von der SPÖ nicht mehr komplett abgedeckt wird, zeigt das Faktum, dass der Aufstieg des sanften Kommunisten Kaltenegger in einer rot verwalteten Stadt begonnen hat und in Konkurrenz zu einer stark zulegenden SPÖ auf Landesebene fortgeführt worden ist. Ganz links könnte neben der SPÖ Platz für eine scharf profilierte Sozialpartei sein - ob das unter der belasteten Marke KPÖ bundesweit funktioniert, ist aber höchst zweifelhaft. (DER STANDARD, Printausgabe, 4.10.2005)
0 Comments:
Kommentar veröffentlichen
<< Home